Kabarettkur
Kann es ein angemesseneres Ambiente für einen Kabarettabend geben als eine Trinkkurhalle? Wer die Gelegenheit nutzen möchte, dies zu überprüfen, muss am 3. Februar lediglich ins hessische Bad Salzhausen fahren und sich dort um 19.30 Uhr in der besagten Lokalität einfinden. Wie die „Frankfurter Neue Presse“ in ihrer Ankündigung weiter schreibt, lädt die Kulturreihe „Kunst im Park“ zu einer Zeitreise ein, in der „Lieder und Texte aus dem Berliner Kabarett der ‚roaring twenties‘, teils als Live-Musik, teils in historischen Schallplattenaufnahmen“ präsentiert werden. Den Besucher erwartet einiges:
Nach Berlin, in die Stadt des pulsierenden Lebens wie auch der grauen Hoffnungslosigkeit, wollen Pia Rausch, Ralf Dörschner, Dr. Peter Möser und Elfriede Maresch ihre Gäste entführen. Dort war das Zentrum der künstlerischen, besonders der literarischen Avantgarde, dort wuchsen die oft kurzlebigen, aber höchst anspruchsvollen Kabaretts aus dem Boden, Trude Hesterbergs „Wilde Bühne“, Friedrich Hollaenders „Tingel-Tangel“, Rosa Valettis „Cabaret Größenwahn“, Werner Fincks „Katakombe“. Marlene Dietrich sang „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, Ringelnatzens Seemann Kuddel Daddeldu schwankte über die Bühne, Mehrings und Kästners Texte wandelten sich in Chansons. Tucholsky schrieb seine couragiert-bösen Lieder („General, General, wag es ja nicht noch einmal . . .“), die die Republik doch nicht retten konnten.
In der Tat: wäre es im Berlin der Weimarer Republik immer so gesittet wie in einer hessischen Trinkkurhalle zugegangen, hätte sich die Geschichte dieses Landes und der Welt wohl anders entwickelt.
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