Das Feuilleton an und für sich
Es war eine illustre Runde, die sich auf der Frankfurter Buchmesse zusammengefunden hatte. Marcel Reich-Ranicki, Frank Schirrmacher, Joachim Kaiser und Mathias Döpfner diskutierten über Chancen und Risiken des heutigen Feuilletons. Anlass war der 80. Geburtstag der „Literarischen Welt“, deren Herausgeberin Rachel Salamander die Diskussion moderierte und in deren jüngster Ausgabe ein Protokoll der Debatte erschienen ist.
Dort heißt es einleitend:
Vor 80 Jahren erschien die erste Ausgabe der von Willy Haas gegründeten „Literarischen Welt“. Die glanzvollen Namen dieser Zeit publizierten dort – Hugo von Hofmannsthal, Heinrich und Thomas Mann, Egon Erwin Kisch, Kurt Tucholsky… 1933 mußte die Zeitschrift schließen. Seit 1998 erscheint sie wieder, als Wochenendbeilage der „WELT“
Nun sollte nicht der Eindruck entstehen, als habe Tucholsky in der Zeitschrift regelmäßig publiziert. Genau genommen hat er nur einen Artikel darin veröffentlicht, einmal in einem Brief auf eine Frage von Willy Haas geantwortet und sechs Mal auf die von Reich-Ranicki lobend erwähnten Umfragen reagiert. Die von Tucholsky beantworteten Themenstellungen waren in der Tat interessant und lauteten: Wie soll Ihr Nekrolog aussehen? Was würden Sie tun, wenn Sie die Macht hätten? Was soll mit den Zehn Geboten geschehen? Soll die deutsche Rechtschreibung reformiert werden? Zum Jubiläum einer Buchhandlung. Die Krise des Buches, Wege zu ihrer Linderung.
Was Tucholsky zur Reformierung der Rechtschreibung vorschlug, dürfte auch die Verlagshäuser Springer und FAZ interessieren:
Eine phonetische Rechtschreibung ist solange eine Barbarei, solange die geschichtlichen Erinnerungen und Traditionen der Orthographie nicht untergegangen sind. Sie bestehen heute noch – also soll man keine Reiterkunststücke machen. Wohl aber ließe sich eine Bearbeitung des Duden denken, die die schlimmsten Zacken an dieser Barockfassade ausbricht.
Kurt Tucholsky: „Soll die deutsche Rechtschreibung reformiert werden?“, in: Literarische Welt, 18.7.1930
Interessant auch die Diskussion, die sich an der Frage journalistischer Vorbilder entzündete:
Döpfner: Ich bestreite vehement, daß heute alles schlechter ist und wir heute weniger gute Autoren haben. Wieviel hatten wir denn früher und wieviel sind denn übrig geblieben. Da sagt man immer, ja der Polgar, Kerr, Tucholsky…
Reich-Ranicki: Polgar und Kerr wurden zu ihren Lebzeiten gar nicht gelobt. Ihre Bücher waren unverkäuflich.
Döpfner: Darauf will ich hinaus. Es sind da drei große Namen und daran halten wir uns fest und dann sagen wir, wen hatten wir denn in den vergangenen Jahrzehnten (…)
Es gab wohl kaum einen Journalisten, den Tucholsky mehr gelobt als Polgar. Und dass es mehr als diese drei Namen gab, zeigt die Autorenliste der „Weltbühne“ deutlich genug.
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