29.2.2008

Ein Kassenbuch für Verzweifelte

„“Dankbarkeit und Weizen gedeihen nur auf gutem Boden“, lautet ein deutsches Sprichwort. Die Mark Brandenburg war noch nie dafür bekannt, Weizen im Überfluss zu produzieren. Und mit der Dankbarkeit scheint es in der Streusandbüchse zuweilen auch nicht weit her zu sein. So ist den Stadtvätern von Rheinsberg offenbar nicht bewusst, wie viel die Bekanntheit ihres Städtchens dem „Bilderbuch für Verliebte“ verdankt, das Tucholsky 1912 veröffentlichte. Anders ist wohl kaum zu erklären, dass einer der Stadtverordneten jüngst vorschlug, das dortige Kurt Tucholsky-Literaturmuseum nicht mehr zu unterstützen. „Wenn wir uns so etwas nicht leisten können, müssen wir uns davon trennen“, sagte Wilfried Schmidt (Allianz) zur finanziell schwierigen Situation, wie die „Märkische Allgemeine“ berichtete. Doch soweit wird es vorerst offenbar nicht kommen:

Das wollte Erich Kuhne (CDU) dann doch nicht gelten lassen. „Ist uns eigentlich bewusst, was wir mit der Musikakademie, der Kammeroper und dem Kurt-Tucholsky-Museum für Schätze haben?“, fragte er seine Abgeordnetenkollegen. Der Stadtverordnetenvorsteher wies darauf hin, dass die Stadt und das Umland nicht wenig von diesen Kultureinrichtungen profitieren.

Für Museumsleiter Peter Böthig ist es deprimierend genug, bei allen möglichen Stellen um Geld betteln gehen zu müssen. Dazu noch ohne Erfolg, wie aus dem Bericht hervorgeht:

Böthig berichtete, dass alle geführten Gespräche mit dem Kreis über einen Trägerwechsel erfolglos verlaufen sind. Deshalb habe er auch die Fördersumme verdreifacht, was wie bekannt nichts geholfen hat. Außerdem informierte der Leiter, dass er in einem Brief an Kulturministerin Johanna Wanka um einen Betriebskostenzuschuss gebeten hat. Auch dieser Antrag sei abgelehnt worden. Selbst das Bemühen, mit Hilfe eines Finanzdienstleisters, der sich deutschlandweit um Sponsoringverträge kümmert, ins Geschäft zu kommen, hätten keinen Erfolg gebracht.

Die Suche nach einem neuen Träger, der die Finanzierung des Museums auf eine solide Basis stellt, wird wohl noch eine Zeitlang dauern. Und Böthig wird mit Tucholsky weiter klagen dürfen: „Was mich in der ganzen letzten Zeit so maßlos bedrückt und mir meine Laune völlig verdirbt, ist die Sache mit dem Geld.“

28.2.2008

Besser spät als nie

Manchmal ist es schon erstaunlich, wie lange die Rezension eines Buches auf sich warten lässt. Für die Seiten von literarturkritik.de hat sich Malte Horrer Tucholskys „Deutschland, Deutschland über alles“ angeschaut und besprochen. Wenigstens muss man ihm zugute halten, dass er nicht das Original von 1929 genommen hat, sondern die aktualisierte Fassung von Timo Rieg. Die ist allerdings auch schon vor zwei Jahren erschienen.

Das macht im Grunde überhaupt nichts. Denn nach Ansicht Horrers sind die Texte Tucholskys ohnehin zeitlos. Aber deren Zusammenstellung aus den zwanziger Jahren weise inzwischen gravierende Nachteile auf:

Erstens stehen die Kapitel bei Tucholsky wie Kraut und Rüben durcheinander – Beispiele über Beispiele ohne irgendeinen sinnvollen Zusammenhang. Und zweitens sind es der Beispiele zu viele – und zu viele ohne die nötige inhaltliche und sprachliche Schlagkraft. Das Original von Tucholsky aus dem Jahre 1929 ist heute letztlich ein ermüdendes Buch!

Dem muss man nicht unbedingt zustimmen, auch wenn man mit der Netzeitung feststellt, dass sich seitdem einiges in Deutschland geändert hat. Aber umso besser, dass es nun eine neue Ausgabe gibt:

Timo Rieg aber hat die potentielle Schlagkraft von „Deutschland, Deutschland über alles“ – so lautet der Titel auch heute – dennoch erkannt: Er hat aus dem Buch die Perlen herausgesucht, sie systematisch neu zusammengestellt (nach Bereichen wie Politik, Beamtenapparat, Justiz et cetera), um andere passende Texte von Tucholsky und um eigene aktuelle Texte ergänzt. […] So sind von dem eigentlichen Buch Tucholskys gerade einmal 8% der Texte übrig geblieben. Ob man das noch „neu herausgegeben“ nennen kann? Ein anderes Etikett wäre vielleicht besser, zumindest aber ehrlicher gewesen.

Vielleicht erscheint die zweite Auflage ja unter dem Titel „Deutsche Frauen, deutsche Treue“.

22.2.2008

Undurchdringliche Sprachverwirrung

Muss die Geschichte des Nationalsozialismus und deutschen Antifaschismus vielleicht umgeschrieben werden? In einer philologischen Schnellstudie für den Blogblick der „Netzeitung“ hat Maik Söhler in der „Weltbühne“ Passagen gefunden, „die von der nationalsozialistischen Durchdringung einer der wichtigsten Publikationen der Weimarer Republik zeugen“. Genauer gesagt, er hat den hier veröffentlichten Text „Raubstaat Liechtenstein“ von Hellmut von Gerlach gelesen und ist dabei auf die Begriffe Schmarotzer, Eiterbeule und Vampyr gestoßen, die seiner Meinung nach „reiner NS-Duktus“ sind und darauf verweisen, „in welchem Kontext die Weltbühne im Februar 1933 erschien“, wie er auf Anfrage erläuterte. Bei Texten von Tucholsky oder Ossietzky aus der „Weltbühne“ habe er dagegen solche Passagen nicht gefunden.

Gegen diese Behauptungen gibt es ziemlich viele Dinge einzuwenden. Hier einige davon:

Der Vorwurf einer „nationalsozialistischen Durchdringung“ einem demokratisch engagierten Journalisten und Pazifisten wie Hellmut von Gerlach gegenüber ist so absurd, dass man diesen nicht mal eben nach der Lektüre eines kurzen Textes erheben sollte. Dies an drei Begriffen und Formulierungen festzumachen, die übrigens im heutigen Diskurs ebenfalls auftauchen, ist reichlich unbedarft. Nur weil Söhler solche Begriffe aus dem NS-Kontext kennt, heißt das noch lange nicht, dass sie im damaligen Sprachgebrauch nicht gängige Metaphern waren. So schrieb zum Beispiel Tucholsky (!) 1929 (!) über die Unsitte, Autorenhonorare nicht zu bezahlen:

Was die Zeitungskorrespondenzen angeht, so steht es damit ähnlich: es gibt ganze Heerscharen von Parasiten, die von uns leben, schlecht abrechnen, noch unpünktlicher bezahlen und sich überhaupt an fremde Arbeit anzecken.

Oder über Bertolt Brecht:

In besonders schlimmen Fällen sind es Moos oder andre Parasiten, die Saft und Kraft aus den alten Bäumen ziehen — die Schmarotzer vergingen ohne den Alten.

1920 (!) schrieb der Rechtsanwalt und Schriftsteller Leo Pasch über die Novemberrevolution in der „Weltbühne“:

Der Moloch des Obrigkeitsstaates mußte ausgetilgt werden aus der Mitte des Volkes. War Deutschland den äußern Feinden unterlegen, so war es desto heiligere Aufgabe, den Vampyr zu töten, der dem kämpfenden Volke das Blut und das Hirn ausgesogen hatte: der Bureaukratismus mußte schleunigst in die Wolfsschlucht.

Es ist zweifellos so, dass die Nazis viele Begriffe der deutschen Sprache kontaminiert haben, weil sie deren Bedeutung pervertierten oder weil dem Gebrauch der Begriffe unvorstellbare Taten folgten. Aber gerade die „Weltbühne“ hat sich immer dagegen gewehrt, die Begrifflichkeiten der Nazis zu übernehmen und darauf verwiesen, wo die Nazis sie zusammengeklaubt hatten. Man würde den „Weltbühne“-Autoren heute auch keinen Rassismus vorwerfen, weil sie ständig die Begriffe Nigger oder Neger benutzten, die damals noch üblicher Sprachgebrauch waren.

Trotz dieses sprachlichen Kontextes kann sich natürlich fragen, warum ein fortschrittlicher und toleranter Mensch wie Hellmut von Gerlach sich in Sachen Liechtenstein so sehr in Rage redete und forderte, das Land im Grunde aufzulösen und notfalls unter die Verwaltung des Völkerbundes zu stellen. Dazu ist zu bemerken, dass Deutschland und andere europäische Länder sich in der Weltwirtschaftskrise in einer extremen Finanznot befanden und um jede Einnahme froh waren, die sie erzielen konnten. Deutschland war seit 1930 praktisch zahlungsunfähig und balancierte ständig am Rande des Staatsbankrotts. Dies machte es der Regierung Brüning unmöglich, durch großzügige Konjunkturprogramme oder Kreditausweitung die Wirtschaftskrise zu bekämpfen und der Nazi-Propaganda somit das Wasser abzugraben. Die Sanierung der Finanzen war für die Weimarer Republik eine Existenzfrage, an deren unzulänglicher Lösung sie mit gescheitert ist. Man mag sich wundern, dass sich Gerlach auch dann noch für die deutschen Staatsfinanzen einsetzte, als die Nazis bereits an der Macht waren. Aber erstens hoffte er sicher, dass der braune Spuk bald vorbei sein würde. Und zweitens widmete er sich auch in seinem letzten Beitrag für die „Weltbühne“, eine Woche später, der Außenpolitik, was damals sicher unverfänglicher war. Denn ihm selbst war klar, dass er persönlich in großer Gefahr schwebte und seine Name auf Verhaftungslisten der Nazis stand. Außerdem hatte der „Stahlhelm“ drei Wochen zuvor eine Resolution beschlossen, die die „Todesstrafe für Landesverräter und die Verächter wahren deutschen Volkstums wie Hello von Gerlach“ forderte. Wie sehr Gerlach den Nazis verhasst war, zeigt sich auch daran, dass er auf der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reiches stand.

Zuletzt könnte man noch spekulieren, dass Gerlach der antisemitischen Propaganda der Nazis entgegenwirken und darauf hinweisen wollte, wo seiner Meinung nach wirklich Schmarotzer saßen, die den Staat aussagten, so wie es die Nazis von den Juden behaupteten. Die eigentliche Botschaft hätte dann zwischen den Zeilen und in dem fast schon parodistischen Widerspruch zu den antisemitischen Tiraden Hitlers und Goebbels gelegen. Eine solche Intention hätte wohl nur Gerlach selbst bestätigen können.

Fazit: Die Wendungen am Ende des Textes zeigen wohl in der Tat, wie sehr sich Gerlach über die staatlich begünstigte Steuerflucht nach Liechtenstein damals geärgert hat. Nicht viel anders, als es unzählige Kommentatoren heute auch tun. Wer weiß, wie in 75 Jahren jemand beurteilt wird, der Liechtenstein heute als Schurkenstaat bezeichnet.

15.2.2008

Sudelblog-Spezial: „Raubstaat Liechtenstein“

Aus gegebenem Anlass sei hier auf einen Text verwiesen, der vor einiger Zeit in einer Tucholsky sehr nahestehenden deutschen Zeitschrift gestanden hat.

Raubstaat Liechtenstein

Eingeklemmt zwischen der Schweiz und Österreich liegt das sonderbare Staatsgebilde, das offiziell als Fürstentum Liechtenstein firmiert. Es hat zehntausend Einwohner und umfaßt drei Quadratmeilen Landes. Im alten deutschen Bunde war es vollberechtigtes Mitglied und nahm als solches 1866 an dem Kriege gegen Preußen teil, wofür es vierundsechzig Soldaten zu stellen hatte. Bei dem Friedensschluß wurde es von Bismarck vergessen. Friede zwischen Liechtenstein und Preußen ist nie geschlossen worden. Rechtlich befindet sich Vaduz seit 1866 noch immer im Kriegszustand mit Berlin, ohne daß sich daraus praktische oder gar blutige Konsequenzen ergeben hätten.

Staatsrechtlich ist Liechtenstein souverän. Wenigstens teilweise. Einen Teil seiner Souveränitätsrechte hat es nämlich an die Schweiz abgetreten, mit der es zum Beispiel in Münzunion lebt. Wegen des Verzichts auf einen Teil seiner Souveränitätsrechte konnte dem Wunsche Liechtensteins auf Aufnahme in den Völkerbund nicht entsprochen werden. Man darf den Völkerbund dazu beglückwünschen, daß er auf die Weise um die Belastung mit moralischem Ballast herumgekommen ist.

Was Liechtenstein an Souveränität übrig geblieben ist, reicht immerhin aus, um den Gebrüdern Rotter und andern Europäern gleichen Edelgehalts Schutz gegen den Strafrichter zu gewähren. Von allen Souveränitätsrechten liegt dem edlen Fürstentum natürlich weitaus am meisten an der Steuerhoheit. Dank ihr konnten sich fünfhundertundneunundsiebzig Aktiengesellschaften auf den drei Quadratmeilen ansiedeln. Dank ihr konnte die Landesbank Liechtensteins in die Gesellschaft der upper ten gelangen, in den Kreis der zehn mächtigsten Goldinstitute Europas. Gibt es heute noch eine sichere Geldanlage? fragt ein Finanzmann den andern. Jawohl, die gibt es, in Liechtenstein. Wer vor seinem eignen Finanzminister absolut sicher sein will, flüchtet sich nach Liechtenstein, in Person oder mit dem Sitz oder einer Filiale seiner Gesellschaft. Man kauft sich ein, durch Verhandlungen mit den Behörden des Fürstentums, von Gentleman zu Gentleman. Liechtenstein ist kulant. Der einzelne Finanzgewaltige braucht nicht viel zu zahlen. Die Masse muß es bringen: Fünfhundertundneunundsiebzig Aktiengesellschaften!

In der monarchistischen ‚Deutschen Zeitung‘ schreibt Hellmut Draws-Tychsen, dessen Spezialität das Studium der Zwergstaaten ist:

Ich will trotz meiner Bejahung der monarchischen Staatsform freimütig eingestehen, daß meine Hochachtung innerhalb der europäischen Miniaturstaaten den uralten, sauberen, freien, bescheidenen Republiken Andorra und San Marino gehört und nie und nimmer den korrupten Ländchen Monaco und Liechtenstein. Hier wünsche ich keine Freude zu haben, aber dort, wo die Einfachheit, die Gastfreundschaft, der Glauben und die Unverderbtheit herrschen. Tatkraft ist alles, denkt der Andorraner, wenn er dem kargen Boden eine karge Ernte abringt. Dagegen philosophiert der Liechtensteiner, der nichtstuerisch und genießerisch die Hände in den Schoß legen kann: Geld allein macht glücklich.

Herr Draws-Tychsen liebt Monaco und Liechtenstein gleich wenig. Er geht von der Moral aus. Die sollte man in solchem Fall ausschalten. Ob die Monegassen oder die Liechtensteiner moralisch höher stehen oder beide gleich niedrig, kann der Welt überaus gleichgültig sein. Was ihr nicht gleichgültig sein kann, ist die Schädigung, die sie durch die beiden Operettenstaaten erfährt. Und da liegt Liechtenstein mit mehreren Pferdelängen voran. In Monaco ruiniert sich wenigstens nur der einzelne Reiche, der das nötige Geld hat, um zur Spielbank zu reisen. Das ist eine Privatangelegenheit. In Liechtenstein dagegen sammeln sich die Milliarden, die Deutschland, Österreich und allen möglichen andern Ländern Europas entzogen werden. Die Kapitalfluchtgesetze werden zur Farce, solange die Hehlerhöhle Liechtenstein sich internationalen Schutzes erfreut. Die Steuerzahler ganz Europas müssen das aufbringen, was die Flucht ihrer potentesten Landsleute nach Liechtenstein ihnen entzieht.

Selbstbestimmungsrecht der Völker ist sehr schön. Aber Liechtenstein ist kein Staat mit Existenzberechtigung. Es ist ein Parasit, der auf allen andern Staaten herumschmarotzt. Es ist eine Eiterbeule.

Diese Eiterbeule muß aufgestochen werden. Mit dem Rest der Souveränität des Ländchens ist schleunigst ein Ende zu machen. Das ist eine Angelegenheit, die alle Völker Europas angeht. Denn die Steuerkraft aller wird von der Eiterbeule zerfressen.
Am einfachsten wäre es natürlich, wenn Liechtenstein der Schweiz einverleibt würde. Aber vielleicht widerstrebt ihr der Zuwachs dieses Mißwachses. Dann sollte Liechtenstein unter Völkerbundsverwaltung genommen werden. Irgendeine Lösung muß gefunden werden, um Europa von seiner partie la plus honteuse zu befreien. Man darf ein staatsrechtliches Naturdenkmal in dem Augenblick nicht mehr dulden, wo es sich als Vampyr herausstellt, der allen Nachbarn das Steuerblut aus den Adern saugt.

Hellmut v. Gerlach

In: Die Weltbühne, 21.2.1933, S. 297

31.1.2008

Wiedersehen vor Gericht

Der Deutschlandfunk hat sich eine Studie zu Justizberichten in den 20er Jahren angeschaut und steigt in seine Rezension mit folgender Behauptung ein:

Wer an Gerichtsreportagen der 20er Jahre denkt, wenigstens was Deutschland angeht, dem wird zu allererst Kurt Tucholsky einfallen. Doch der sarkastische und wütende Kritiker von Gesinnungs- und Klassenjustiz kommt im Buch von Daniel Siemens nur ein einziges Mal namentlich vor, nämlich als einer jener Prominenten der Weimarer Republik, die sich erfolglos für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzten.

Doch dieser Vorwurf trifft Daniel Siemens zu Unrecht. Wer an Gerichtsreportagen der 20er Jahre denkt, dem sollten zunächst einmal Journalisten wie Paul Schlesinger alias Sling oder Gabriele Tergit in den Sinn kommen. Dagegen weniger Dr. iur. Tucholsky. Zwar finden sich in der Tat ungezählte Justizkritiken in seinem Werk, allen voran die dreiteilige Serie „Deutsche Richter“ von 1927. Aber eigentliche Reportagen hat er nur über ausgesuchte politische Prozesse geschrieben, wie beispielsweise nach dem Attentat auf Maximilian Harden. Außerdem lebte Tucholsky während der 20er Jahre nun einmal die meiste Zeit nicht in Deutschland. Deshalb konnte er am 5. April 1927 sein freudiges „Wiedersehen mit der Justiz“ feiern:

Es ist noch alles da.
Wenn man das drei Jahre lang nicht genossen hat: die moabiter Justizfabrik und die unhöflichen Gerichtsdiener und diese Richterköpfe und die kleinen verschreckten Schöffen, Mikrozephalen oder Kolonialwarenhändler, und die artigen Verteidiger, die immer ein bißchen etwas vom Komplicen an sich haben, und die Angeklagten, die nicht wissen, wie ihnen geschieht – wenn man das drei Jahre lang nicht genossen hat, so darf man erfreut feststellen, daß noch alles da ist. Justitia . . . Ein Vormittag, und die Binde sitzt hinten.

30.1.2008

Gekotze aus dem Radio

Heute vor 75 ist Adolf Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden. Das ist auch der Nachrichtenagentur dpa nicht entgangen, und sie hat ihre Kunden vor einigen Tagen mit einem Hintergrundtext zur „Machtergreifung“ beliefert. Der Artikel wurde von einigen Medien übernommen – mitsamt der folgenden, in mehrfacher Hinsicht unzutreffenden Passage:

Am Abend ziehen in Berlin gut 20 000 SA-Leute und Stahlhelm-Angehörige in einem stundenlangen Fackelzug durch das Brandenburger Tor und die Wilhelmstraße hinunter. Tausende beobachten den Aufmarsch, an einem Fenster der Reichskanzlei auch Hitler. Beim Rundfunk haben die Nazis eine Live-Berichterstattung durchgesetzt. Der Satiriker Kurt Tucholsky hört am Radio mit und prägt seinen Spruch: «Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.»

Nun gibt es bei den Tucholsky-Zitaten von Wikiquote aus gutem Grund einen Abschnitt mit der Überschrift „Fälschlich zugeschrieben“. In diese Kategorie gehört auch der laut dpa von Tucholsky geprägte Spruch. Als sein eigentlicher Urheber gilt der Maler Max Liebermann. Dieser brauchte nicht einmal ein Radio, um den Aufmarsch live mitzuverfolgen. Er musste nur aus dem Fenster schauen, – denn sein Haus lag direkt am Brandenburger Tor.

Bis Tucholsky die Gelegenheit hatte, „Adofn“ zum ersten Mal im Radio zu hören, sollte es noch einen Monat dauern. Am 4. März 1933 schrieb er von Zürich aus an seinen Freund Walter Hasenclever:

Vorgestern haben wir hier einen Radio installiert und Adof gehört. Lieber Max, das war sehr merkwürdig. Also erst Göring, ein böses, altes blutrünstiges Weib, das kreischte und die Leute richtig zum Mord aufstachelte. Sehr erschreckend und ekelhaft. Dann Göbbeles mit den loichtenden Augen, der zum Vollik sprach, dann Heil und Gebrüll, Kommandos und Musik, riesige Pause, der Führer hat das Wort. Immerhin, da sollte nun also der sprechen, welcher … ich ging ein paar Meter vom Apparat weg und ich gestehe, ich hörte mit dem ganzen Körper hin. Und dann geschah etwas sehr Merkwürdiges.

Dann war nämlich gar nichts. Die Stimme ist nicht gar so unsympathisch wie man denken sollte – sie riecht nur etwas nach Hosenboden, nach Mann, unappetitlich, aber sonst gehts. Manchmal überbrüllt er sich, dann kotzt er.

Und nicht Tucholsky. Dessen Resümee lautete: „Ceterum censeo: ich habe damit nichts zu tun.“

13.1.2008

Lesen und Frieden

An diesem Sonntag ist im ZDF die dritte Folge des Historienschinkens „Krieg und Frieden“ ausgestrahlt worden. Das Fernsehlexikon bemerkte dazu spöttisch:

„Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist.“ „Hundewiese“. „Boogaloo On Second Avenue“. Drei gute Bücher, die noch nie verfilmt wurden. Krieg und Frieden dagegen wurde vermutlich schon öfter verfilmt als gelesen, denn ernsthaft: 1645 Seiten? Wer liest die?

Tucholsky natürlich. Und das tat er gleich mehrfach. Davon zeugen einige Stellen in seinen Briefen:

Es reicht auf keiner Seite an die ungeheure Gestaltungskraft und den starken Gottglauben Tolstois in Krieg und Frieden heran, keine Scene ist darin (kann auch nicht darin sein, weil es das zum zweiten Mal nicht gibt), die etwa an die Stunde heranreicht, in der der Fürst verwundet bei Tolstoi auf dem Schlachtfeld liegt und die Wolken ansieht, und das Menschliche ist weit, weit unter ihm, und es wird alles so leicht und verständlich
1918 über Barbusses „Le feu“

Die Karenina ist ein herrliches Buch. Beinah so schön wie Krieg und Frieden.
1933

Ich läse Krieg und Frieden und blase etwas in der Trübsal. Das kann ich ganz fließend.
1935

Vielleicht verfehlte die Lektüre auch bei dem Pazifisten Tucholsky ihre Wirkung nicht. Denn am 8. September 1921 hieß es in einer „Antwort“ in der Weltbühne:

Antipazifisten. Lest nicht nur die Stelle aus „Krieg und Frieden“, die ich in die Rundschau von heute gesetzt habe: lest das ganze, das herrliche Buch! Das ist Epik — diese unerbittliche sachliche Ruhe. Es gibt keine schonungslosere Entlarvung des Militarismus. Satz um Satz aktuell und erbarmungslos. Dieser Tolstoi nennt einfach die Dinge beim Namen, und die Uniformen fallen ab wie Zunder. Dabei ist er weise wie Homer und von einer wunderbaren Allwissenheit um den Menschen. Unsereinen bezwingt das zur Anbetung. Leset auch Ihr es! Vielleicht bekehrt es doch Den oder Jenen von Euch.

Ob die Verfilmung das auch schafft? Am Mittwoch ist noch Gelegenheit, dies zu testen.
Die in der Weltbühne zitierte Passage lautete übrigens:

Die biblische Überlieferung sagt, daß das Fehlen jeglicher Arbeit, das Nichtstun, ein wesentliches Moment der Glückseligkeit des ersten Menschen vor seinem Sündenfall gewesen sei. Die Liebe zum Müßiggange ist bei den Menschen auch nach dem Falle dieselbe geblieben; aber es lastet nun auf den Menschen ein Fluch, und zwar nicht nur insofern, als wir uns nur im Schweiße unsres Angesichts unser Brot erwerben können, sondern auch insofern, als wir vermöge unsrer moralischen Eigenschaften nicht zugleich müßiggehen und in unsrer Seele ruhig sein können. Eine geheime Stimme sagt uns, daß wir durch Müßiggang eine Schuld auf uns laden. Könnte der Mensch einen Zustand finden, in dem er müßigginge und doch dabei das Gefühl hätte, ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu sein und seine Schuldigkeit zu tun, dann hätte er damit ein Stück der ursprünglichen Glückseligkeit wieder gefunden. Und eines solchen Zustandes, wo der Müßiggang pflichtmäßig ist und keinem Tadel unterliegt, erfreut sich ein ganzer Stand: der Militärstand. In diesem pflichtmäßigen, tadelfreien Müßiggange hat von jeher die hauptsächlichste Anziehungskraft des Militärdienstes bestanden, und das wird auch allezeit so bleiben.

10.1.2008

Mit Zille bei Vornehms

Der Maler und Graphiker Heinrich Zille ist am heutigen Tag vor 150 Jahren geboren worden. In ihren Würdigungen Zilles hoben die Nachrichtenagenturen dpa und epd auch die besondere Verehrung hervor, die Tucholsky für Zille empfand. Diese manifestierte sich beispielsweise in dem langen Text „Berlins Bester“, der im Januar 1925 erschien. Zum Tode des Malers im August 1929 dichtete ihm Theobald Tiger einen Nachruf, aus dem dpa die Zeilen zitierte: „Du kennst den janzen Kleista – den ihr Schicksal: Stirb oda friß! Du warst ein jroßa Meista. Du hast jesacht, wies is.“

Weniger bekannt ist wohl folgende Anekdote aus dem Text „Dichtung“, in dem er Zille als humoristischen Schriftsteller lobte:

Unter den jüngeren Literaten findet sich meist eine merkwürdige Verachtung des Humors. Es ist, als habe man sich zu schämen, wenn man gelacht hat. Eisige Mienen ringsum belehren dich, daß man sich in seiner Gesellschaft nicht den Kragen abbindet. Und es gibt meines Erachtens nur einen, der in unserer Literatur wirklich Humor hat: das ist der Schriftsteller Heinrich Zille. Der Schriftsteller – denn der Mann hat Bücher geschrieben, die weit über seine Zeichenkunst hinausgehen. Und ich besinne mich, mit ihm einmal bei einer sehr vornehmen Familie eingeladen gewesen zu sein, wo es so fein zuging, daß wir Beklemmungen bekamen; Papa spielte Harmonium, Mama wackelte vor innerem Adel mit allem, wo gibt – und die Kinder waren so altklug, daß einem das Grauen ankam. Auf dem Nachhauseweg fragte ich Zille, wie es ihm gefallen habe. Er dachte einen Augenblick nach und sagte dann: „Die Leute sind emsig glücklich!“
Peter Panter: „Dichtung“, in: Vossische Zeitung, 25.12.1924

7.1.2008

Der archivierte Tucholsky

Seit dem Wegfall des Urheberschutzes gibt es eine Flut von neuen Tucholsky-Ausgaben auf dem Buchmarkt. Nach „Mit Tucholsky die Frauen verstehen“ und „Weihnachten mit Tucholsky“ ist nun auch „Tucholsky in Berlin. Gesammelte Feuilletons 1912-1930“ erschienen, herausgegeben von Nele Lenze im Berlin Story Verlag. Nicht nur der Vorwärts, auch ein im Internet erscheinendes Berlin-Magazin hat sich den Band angesehen. Über die dortige Rezension „Tucholsky in Berlin“ sollte man eigentlich den Mantel des Schweigens breiten oder sie Korrektur lesen lassen. Folgende Passage, die sich sinngemäß auch im Vorwärts findet, ist dennoch höchst amüsant:

Nele Lenze hat für den Berlin Story Verlag als Herausgeberin die Tucholskytexte neu editiert. Schon seit ihrer Jugend beschäftigt sich die studierte Judaistin, Jahrgang 1981, mit Tucholsky und der Berliner Geschichte. Sie stieg tief in die Archive ein, um die besten und interessantesten herauszusuchen.

Vor dem geistigen Auge taucht dabei die Herausgeberin auf, wie sie in ganz Deutschland herumreist, um in literarischen Archiven wie in Marbach die verstreuten Tucholsky-Texte zu sichten. Hin und wieder stößt sie dabei voller Freude auf einen Artikel, in dem es irgendwie um Berlin geht.

Vielleicht war sie aber schlauer, setzte sich einfach in die Bibliothek und blätterte die Tucholsky-Gesamtausgabe von vorne bis hinten durch. Man möchte aber nicht hoffen, dass sie die CD von Band 15 der Digitalen Bibliothek eingelegt und dort in der Volltextsuche „Berlin“ eingegeben hat. Dann hätte sie in den Texten und Briefen Tucholskys nämlich 1391 Fundstellen bekommen. Bis man die alle durchgeklickt hat…

Stellt sich die Frage, wer neben Nele Lenze noch so alles in den Archiven unterwegs war und uns demnächst mit einem Tucholsky-Band erfreuen wird. Kleiner Tipp: Bei „Paris“ gibt es nur 1110 Fundstellen.

Nachtrag: Auf der Website des Buches ist auch das Vorwort zu lesen, in dem es heißt:

Alle Beiträge in diesem Buch stammen aus den ursprünglichen Quellen, also aus der Weltbühne, der Vossischen Zeitung, dem Vorwärts oder der Schaubühne. Wir haben dazu umfangreiche Quellenstudien in Archiven betrieben, die Originale gesucht und lesefreundlich neu gesetzt. Es liegt hiermit also ein ganz urspünglicher, nicht bearbeiteter, reiner Tucholsky vor.

Dazu ist nur zu sagen: Auch die Gesamtausgabe gibt zunächst die ursprünglichen Texte an, was die Quellenstudien auf einen Gang in die Bibliothek reduzieren könnte. Und was machen die Gesammelten Werke? Darin sind die Texte in der Fassung wiedergegeben, die Tucholsky zuletzt bearbeitet hat. Das war bei Artikeln der Fall, die er für seine Sammelbände Mit 5 PS, Das Lächeln der Mona Lisa und Lerne lachen ohne zu weinen zusammengestellt hat. Was nun der reinere Tucholsky davon ist, wissen wohl nur die Götter oder Frau Klementine.

6.1.2008

Romanisches Klischee

In der Politik ist man sich noch nicht einig, ob 2007 das Jahr der Angela Merkel, Hillary Clinton oder Gabriele Pauli war. In der Literatur(geschichte) fällt die Wahl wohl eindeutig auf: Mascha Kaléko. Am 7. Juni 2007 wäre die Lyrikerin 100 Jahre alt geworden. Unter anderem aus diesem Anlass wurde sie im vergangenen Jahr gut und gerne 800 Mal in der deutschen Presse erwähnt (laut gbi). In fast 100 Fällen davon in der Kombination mit Kurt Tucholsky, denn, um typische Erwähnungen zu zitieren:

Heute gilt die in Galizien als Mascha Engel geborene Kaléko als eine der spannendsten Dichterinnen des 20. Jahrhunderts. Sie war mit Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Joachim Ringelnatz, Else Lasker-Schüler bis hin zu Bertolt Brecht befreundet. Dieser heute noch unübertroffene Dichter- und Kabarett-Kreis traf sich im „Romanischen Café“ in Berlin.
Hamburger Abendblatt vom 30.5.2007

Oder:

Ihre frühesten Gedichte erscheinen in den Berliner Zeitungen, gleich in den führenden, zumal im liberalen „Berliner Tageblatt“. Bald wird sie dort regelmäßig gedruckt. Sie hat sofort viele Leser und einige etwas ratlose Kritiker. Sie wissen nicht recht, wie man die Anfängerin einordnen soll. Verschiedene Namen werden vorgeschlagen: Sie käme aus der Welt von Eugen Roth, sie sei eine Tochter Christian Morgensterns, eine Schwester von Joachim Ringelnatz. Vor allem aber: Sie habe viel von Kurt Tucholsky und Erich Kästner gelernt – und das trifft am ehesten.
Marcel Reich-Ranicki in der FAZ

Was die Nähe zu Tucholskys „Gebrauchslyrik“ betrifft, so ist gegen diese Behauptung sicher nicht viel einzuwenden. Auch wenn Kästners Gedichte wohl mehr Ähnlichkeit mit Themen und Sprache Kalékos aufweisen.

Es ist allerdings ein weit verbreitetes Klischee, Tucholsky und Kästner hätten den lieben langen Tag im Romanischen Café gesessen und dort mit aufstrebenden Talenten über Politik und Literatur diskutiert. Die weite Verbreitung macht ein Klischee nicht wahrer. Tucholsky überhaupt in Berlin anzutreffen, war seit 1924 schon nicht so einfach. Schließlich lebte er dauerhaft im Ausland, 1929 und 1930 verbrachte er insgesamt zehn Wochen in seiner Heimatstadt, die er im April 1931 zum letzten Mal sah. Und während seiner seltenen Berlin-Aufenthalte war es eher unwahrscheinlich, ihm im besagten Literatentreffpunkt zu begegnen. Denn:

Allen gemeinsam ist das Romanische Café, auf das ich nicht so schelten kann, wie das vielfach geschieht. Es ist nicht meine Nummer – aber dergleichen muß sein, das hats immer gegeben (…)
Peter Panter: „Die Zeit“, in: Die Weltbühne, 18.2.1930, S. 284

Statt dessen bevorzugte er beispielsweise das Restaurant Schwannecke, von dem er dichtete:

Früher, wenn mal etwas Komisches war:
ein Rednerschwupper an Thron und Altar,
der Kindermund eines Filmgenerals,
der Duft eines Reichsgerichts-Skandals,
Adele Sandrocks herrlicher Baß,
ein dämlicher Kabinettserlaß;
wenn mit Recht ein Verleger Pleite gemacht,
wenn ein Tisch sich bei Schwannecke zerkracht –
dann tat eine innere Stimme befehlen:
Das mußt du gleich S.J. erzählen!
[…]
Theobald Tiger, „Lücke“, in Die Weltbühne, 29.3.1927, S. 503

Auch Kästner war kein typischer Gast des „Romanischen“. Er schrieb seine Gedichte und Bücher im Café Carlton und später im Café Leon, wie Jürgen Schebera in seinem klassischen Bildband Damals im Romanischen Café berichtet.

Darin findet sich jedoch ein musikalischer „Beweis“ für Tucholskys Aufenthalte in dem Café gegenüber der Gedächtniskirche. In einem Chanson von Willi Kollo heißt es:

Damals im Romanischen Café,
Wir saßen stundenlang bei einem Glas Tee.
Beiden gings uns damals ziemlich schlecht,
Wir lebten nur von Pump, Kurt Weill und Bertolt Brecht.
Es schrieb an seinem Marmortisch
Aus Prag der Egon Erwin Kisch
Den „Rasenden Reporter“ –
Durchs Café ging der Kortner.
Homolka spielte oben Schach
Die Mosheim blieb verzweifelt wach
Friedell saß bei dem Anton Kuh
Tucholsky setzte sich dazu.
[…]
Jürgen Schebera: Damals im Romanischen Café, Leipzig 1998, S. 63

Nicht ausgeschlossen, dass Kollo schon damals Klischees bemühte.

Gegen eine enge persönliche Verbindung von Tucholsky, Kästner und Kaléko spricht auch die Tatsache, dass die junge Dichterin nie in der Weltbühne erwähnt und lediglich einmal ein Gedicht („Kassen-Patienten“) von ihr in der Zeitschrift veröffentlicht wurde. Wen es vor allem ins Romanische Café verschlug, beschrieb der Journalist Hanns-Erich Kaminski in dem Blatt:

Von Wien aus gesehen, erscheint Berlin als ein zweites New York, als die zivilisierte Wildnis des zwanzigsten Jahrhunderts, in der man ohne einen Pfennig ankommen und sich mit geballten Fäusten den Weg nach oben, zum Erfolg, zum Reichtum, bahnen kann.

Der junge Mann aus Wien begibt sich vom Anhalter Bahnhof ins Romanische Café. Dort trifft er Bekannte und gewinnt neue Freunde, bald kann er herumgehen und an zwölf Tischen guten Tag sagen. Aber bald merkt er auch, daß die Luft dort anders ist als in Wien. In Wien bedeutet das Café den Hafen, in Berlin nur den Startplatz. Im wiener Café sitzen immer dieselben Leute, im berliner wechseln sie alle paar Jahre. An der Gedächtniskirche muß man arrivieren oder man geht vor die Hunde.
Hanns-Erich Kaminski: „Der junge Mann aus Wien“, in: Die Weltbühne, 16.12.1930, S. 903f.

Gut möglich, dass Kaléko und Tucholsky sich bei einem „Personalwechsel“ verpasst haben.

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