Der „Spiegel“ sagt mehr …
Bei der Spiegel-Gruppe ist es in jüngster Zeit zur Gewohnheit geworden, das Sprichwort „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ eindeutig der Urheberschaft Tucholskys zuzuordnen. So heißt es beispielsweise in dem Einband eines Bildbandes zum Zweiten Weltkrieg:
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, schreibt Kurt Tucholsky 1926. Im Zweiten Weltkrieg machen sich nicht nur die Nationalsozialisten diese Erkenntnis zu eigen, sondern alle in die tödliche Auseinandersetzung verwickelten Mächte.
Und weil das Zitat so nett ist, taucht es bei „Spiegel-Online“ in der Rezension eines Bildbandes zur Roten Armee Fraktion gleich noch einmal auf:
An das Credo „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“, das Kurt Tucholsky 1926 formulierte, hat die RAF nie geglaubt. Für die Gruppe, die 1970 als Rote Armee Fraktion den bewaffneten Kampf aufnahm, zählte nur das Wort.
Nun muss man dem „Spiegel“ zugute halten, dass Tucholsky diesen Spruch zumindest benutzt hat. Und zwar als Überschrift für einen Artikel, der die Möglichkeiten der Fotografie behandelt. Im Artikel selbst heißt es dann:
Ein Bild sagt mehr … Hunderttausend Worte wenden sich an den Verstand, an die Erfahrung, an die Bildung – das Bild … (…) Und weil ein Bild mehr sagt als hunderttausend Worte, so weiß jeder Propagandist die Wirkung des Tendenzbildes zu schätzen (…)
Peter Panter: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, in: Uhu, Nov. 1926, Nr. 2, S. 75
Dass Tucholsky tatsächlich dieses Sprichwort „formulierte“, ist dagegen stark zu bezweifeln, auch wenn es irgendwo bei „Spiegel“ steht.
Wenn K. T. als Redivivus käme:
Wie…?
Nach meinem Tod: Jetzt darf Alles-Meins verramscht, verkauft, nachgedruckt werden: gar gelesen werden.
Ob ich da mal den Affen vor dem Gitter, äh, den Scheiben einer Buchhandlung geben sollte?
ätsch, bin zu Hause geblieben:
Huij, vor einem Bild- oder Bilderschirm:
was für Zeichen, Rätsel, Wirrnis, Spielchen, Lichterspiele, wie ewig und drei Sekunden: so viel Geschriebenes: wieviel Gedrucktes, wie viel Ungelesenes, und die Geschwindigkeiten, wie viele Informationen, die Transformationen, die wohl so ungenützt bleiben, wie meine Liebesspiele…
Was ich wohl noch alles vergessen habe: Als ich wie Peter Panter sprach: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, in: Uhu, Nov. 1926, Nr. 2, S. 75
Ecce den Sucher! Sprich mit dem Finder!
Da such ich doch mal, ein Freund gibt Auskunft über Tasten, Links,
… ein bild sage mehr als …:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Bild_sagt_mehr_als_tausend_Worte
Da – hui – lesen die mir vor….: Ursprung des Sprichworts:
Es wird oft behauptet, es handele sich um ein chinesisches Sprichwort. Auch Konfuzius wird oft als Urheber genannt.
Der erste gedruckte Nachweis findet sich jedoch im englischen Sprachraum. Am 8. Dezember 1921 veröffentlichte Fred R. Barnard in der Zeitschrift „Printers‘ Ink“ eine Anzeige mit dem Slogan „One Look is Worth A Thousand Words.“
Es handelte sich um eine Fachzeitschrift der Werbebranche. Die Anzeige warb für den Gebrauch von Bildern in Werbeaufdrucken auf Autos.
Am 10. März 1927 erschien eine zweite Anzeige mit der Phrase „One Picture is Worth Ten Thousand Words“. Dort wird behaupted, es handele sich um ein chinesisches Sprichwort. Das Buch „The Home Book of Proverbs, Maxims, and Familiar Phrases“ zitiert den Autor Barnard, der sagte er habe den Slogan „als chinesisches Sprichwort betitelt, damit die Leute es ernst nehmen“.
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Ja, jau, wau, wow: Alles geklaut, alles zitiert; und ich wusst davon nixestens! Ja, „bildlich“ schon irgendwie, mus ich das gewusst haben, bilde ich mir mal an, äh, ein – oder tausendfach.
Kommentar by Antoninus — 12.9.2006 @ 14:54