Ein bisschen Tamerlan
„Mir ist heut so nach Tamerlan, nach Tamerlan zumut, ein kleines bisschen Tamerlan, ach Tamerlan, wär gut“, dichtete Theobald Tiger 1922 für das Berliner Kabarett von Rudolf Nelson. Auch der „Welt“ war heute nach dem türkisch-mongolischen Gewaltherrscher zumute, denn Timur Lenk, wie er eigentlich hieß, ist vor genau sechshundert Jahren gestorben.
Wer diese Leute waren, die sich schon Anfang der zwanziger Jahre einen kleinen Diktator wünschten, schrieb Tucholsky in seinem eigenen Nachruf:
„Mir ist heut so nach Tamerlan!“
Das war eines jener zahllosen Chansons des Verstorbenen, angefertigt für die Kreise, die er so zu verachten vorgab; mit der einen Hand kritisierte er sie, mit der andern zapfte er ihnen den Sekt ab. Er war eben eine problematische Natur …
Ignaz Wrobel: „Requiem“, in: Die Weltbühne, 21.6.1923, S. 728
Dass diesen Kreisen tatsächlich nach einem „starken Mann“ zumute war, sollte sich gegen Ende der Weimarer Republik immer deutlicher herausstellen. Und dass es „ein kleines bisschen Tamerlan“ – ein kleines bisschen Diktatur – eben nicht gibt, leider auch.
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