Nicht sein Sylt II
Es ist schon interessant zu beobachten, wie sich manche Behauptungen über Tucholsky offensichtlich ungeprüft fortpflanzen. Bereits vor einem Jahr hatte in der Süddeutschen gestanden, dass Tucholsky der Insel Sylt „verfallen“ gewesen sei, was offenbar auf einer Verwechslung mit seinem Freund und Mentor Siegfried Jacobsohn beruhte, der dort regelmäßig den Sommer verbrachte. Dies greift nun auch die taz in dem Artikel „Amokprosa auf Sylt“ auf und schreibt:
Siegfried Jacobsohn, erstmals 1920 wegen der Bronchien angereist, wollte gar nicht mehr weg. Er lag halbe Jahre am Strand und redigierte seine Weltbühne. „Sylt“, schrieb er an Freund Tucholsky, ist „tausendmal schöner als Wangeroog“. Also fuhr auch Tucho hin und kam immer wieder […].
Nun sind seit dem vergangenen Jahr keine neuen Dokumente aufgetaucht, die einen oder gar mehrere Aufenthalte Tucholskys auf Sylt belegten. Da dies auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, kann als ziemlich sicher gelten: Die nächste Fortsetzung von Tucholskys Sylt-Liebe kommt bestimmt.
Aber auch bei Siegfried Jacobsohn nimmt es der Autor nicht so genau. Der Weltbühne-Herausgeber hielt sich nicht erst 1920, sondern schon vor dem Ersten Weltkrieg regelmäßig auf Sylt auf. Zeugnis davon ist unter anderem sein Kriegstagebuch, das er im Herbst 1914 in der damaligen Schaubühne veröffentlichte. 1919 kaufte er sich von einem Bauern schließlich ein altes Reetdachhaus. Interessant auch die Behauptung, Jacobsohn sei „wegen der Bronchien“ angereist. Er war zwar Epileptiker, litt an einer Augenkrankheit, hörte auf dem rechten Ohr vermutlich nichts und besaß mit 1,57 Meter nicht gerade Gardemaß. Dass er wegen einer Lungenkrankheit an die See fuhr, war bislang noch nicht bekannt.
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