Der Mann mit den drei Gymnasien
„Über Kurt Tucholskys Berliner Schulzeit von Ostern 1899 bis zumSeptember 1909 wabert immer noch erhebliches Dunkel“, heißt es lapidar in einem Aufsatz, in dem sich der Historiker Kurt Wernicke mit der Schullaufbahn Tucholskys auseinandersetzt (siehe hier). Dieses Dunkel hat die Märkische Allgemeine ein wenig aufzuhellen versucht. Aber es könnte sein, dass sie damit mehr Verwirrung gestiftet als Aufklärung gebracht hat. „Drückte der junge Kurt Tucholsky in Nauen die Schulbank?“ heißt es ein wenig reißerisch in der Überschrift, die selbst in ihrer Fragestellung als gewagt erscheint. Denn die Beweise für die These sind äußerst dürftig:
Im Nauener Museum befindet sich ein kleiner Zettel, wohl eine Zuarbeit für eine frühere Festschrift, darin ist von Kurt Tucholsky die Rede. Der Nauener Bürger Fritz Herold berichtet darin, dass Kurt Tucholsky um 1907 bei Paul Last, Lehrer und Organist, gewohnt haben soll. Er bezieht sich darin auf einen Artikel, den der einstige Museumsleiter Wilhelm Koch Anfang der 40er Jahre geschrieben haben soll. Weiter verfolgt wurde die Spur nicht.
Kein Wunder, dass diese Spekulationen bei Tucholsky-Experten auf große Skepsis stießen:
In der Rheinsberger Kurt-Tucholsky-Gedenkstätte hält man es für sehr unwahrscheinlich, dass die Nauener Episode der Wahrheit entspricht. „Kurt Tucholskys Leben ist gut erforscht, es gibt viele Biografien. Mir ist kein Hinweis auf Nauen bekannt“, sagt Peter Böthig, Leiter der Gedenkstätte, „ich kann das also weder bestätigen, noch ganz ausschließen.“
Ganz auszuschließen ist der Nauener Schulbesuch auch deswegen nicht, weil die dortige Schule ebenso wie das zuletzt von Tucholsky besuchte Berliner Wilhelms-Gymnasium ein Realgymnasium war. Falls die Begebenheit zutrifft, wäre Tucholsky nicht nur der „Mann mit den zwei Einjährigen“, sondern auch das Kind mit den drei Oberschulen gewesen. Denn vor dem Wilhelms-Gymnasium hatte er bereits erfolglos das Französische Gymnasium besucht.
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