27.11.2007

Hörspielpreis für „Schloß Gripsholm“

Da wird sich Tucholsky im „Nachher“ aber gefreut haben. Die Besucher des Hörspielkinos im Berliner Großplanetarium am Prenzlauer Berg haben den „Hörspielkino-Publikumspreis 2007“ an „Schloß Gripsholm“ verliehen. Und zwar in einer Hörspielversion aus dem Jahr 1964 in der Regie von Hans Knötzsch. In der Produktion des DDR-Rundfunks sprachen Fred Düren, Ursula Karusseit, Hans-Joachim Hanisch, Angelica Domröse und Regine Toelg.

Der Preis wird am 1. Dezember um 20 Uhr im Planetarium verliehen. An wen eigentlich? Autor und Regisseur sind seit 72 beziehungsweise 11 Jahren tot.

Tucholsky hatte über gehörte Literatur selbstverständlich seine eigenen Ansichten:

Der Rundfunk kann die Literatur der Lebenden fördern – obgleich das Ohr nicht so aufnahmefähig ist wie das Auge, und hier besteht eine Gefahr. Für faule Leser macht manchmal eine „Bücherstunde“ die Lektüre eines Buches überflüssig – hat er etwas über ein Werk gehört, so kann es geschehen, daß er es nicht mehr liest. Aber diese Gefahr ist klein im Vergleich zu dem Nutzen, den eine anregende Bücherstunde schaffen kann.
Peter Panter, in: Der Deutsche Rundfunk, 6.9.1929, Nr. 36, S. 1145

22.11.2007

Es begann mit einem „Märchen“

Heute ist es auf den Tag genau 100 Jahre her, dass die ersten Texte von Kurt Tucholsky in der Presse erschienen sind. Am 22. November 1907 veröffentlichte die Satirebeilage des Berliner Tageblatts, der Ulk, zwei anonyme Texte unter den Titeln „Märchen“ und „Vorsätze“. Ihr Autor war der 17 Jahre alte Tucholsky, der in dieser Zeit von einem Privatlehrer auf das Abitur vorbereitet wurde.

Schon in diesen beiden Glossen deutet sich an, was für den späteren Autor Tucholsky charakteristisch werden sollte: Ein virtuoser Umgang mit der Sprache und ein respektloses Verhältnis zur Obrigkeit.

So unterstellte er im „Märchen“ niemand Geringerem als Kaiser Wilhelm II., dass dieser kein Verständnis für die moderne Kunst habe. Auch wenn die „ganze moderne Richtung“, auf die der Kaiser in dem Text pfeift, eigentlich gar nicht in seiner kleinen Flöte war. Es fehlten Expressionisten wie die Künstler der „Brücke“ oder des „Blauen Reiters“ sowie Vertreter von Kubismus und Futurismus, heißt es in der Tucholsky-Gesamtausgabe.

In dem Text „Vorsätze“ klingt ein Motiv an, das auch später für Tucholsky von großer Bedeutung sein sollte: die angemessene Bezahlung für seine literarische Produktion. Der Onkel, den er um Geld bitten wollte, war vermutlich Max Tucholski, der Bruder seiner Mutter Doris. Dieser war nach dem Tode von Tucholskys Vater Alex im Jahre 1905 Kurts Vormund geworden und verwaltete dessen beachtlichen Erbteil.

Nach diesen beiden Veröffentlichungen war er zunächst wieder ruhig um Tucholskys journalistische Karriere. Erst dreieinhalb Jahre später, im April 1911, sollte sein nächster Artikel erscheinen. Dieses Mal im Vorwärts, dem Parteiblatt der SPD, für das er in den folgenden beiden Jahren regelmäßig schreiben sollte. Richtig los ging es mit dem Journalismus jedoch erst am 9. Januar 1913, Tucholskys 23. Geburtstag. Von diesem Tag an war er Mitarbeiter der Schaubühne, die ihn nie wieder loslassen sollte.

18.11.2007

Ein ewiger Mittwoch droht

In Berlin gibt es zwei öffentliche Bibliotheken, die den Namen Kurt Tucholskys tragen. Noch. Denn die Bibliothek im Bötzow-Viertel im Prenzlauer Berg soll im kommenden Jahr geschlossen werden. Das teilte der Pankower Kulturstadtrat Michail Nelken (Die Linke) am 14. November in einer Bürgerversammlung in der Bibliothek mit. Wie der Tagesspiegel berichtete, sollen zehn Mitarbeiter der neun Pankower Bibliotheken ihre bisherige Stelle verlieren, so dass zwei Bibliotheken geschlossen werden müssen. In dem Kiez rege sich Widerstand, heißt es in dem Artikel:

Klaus Lemmnitz kann sich in Rage reden, wenn es um die geplante Schließung zweier Bibliotheken im Stadtteil Prenzlauer Berg geht. „Es kann nicht sein, dass die Stadt sich hier völlig der Verantwortung entzieht. Das sind nur noch Streichorgien“, sagt er. Weil er mit den Plänen des Bezirkes Pankow nicht einverstanden ist, hat er mit anderen Anwohnern die Initiative „Pro Kiez“ gegründet.

Auf der Versammlung wurden an den Stadtrat 3000 Unterschriften von Bürgern übergeben, die sich gegen die Schließung wenden. Auch die Kurt Tucholsky-Gesellschaft (KTG) sprach sich bei dem Treffen gegen die Schließung aus. Damit hat es seine besondere Bewandnis: Die Bibliothek hat ihren Namen der letzten Angehörigen der Familie Tucholsky zu verdanken, dem KTG-Ehrenmitglied Brigitte Rothert. Diese hatte sich in den 1980er Jahren dafür eingesetzt, dass die damalige Tucholsky-Bibliothek in Mitte bessere Räumlichkeiten erhielt, die im Juni 1990 schließlich bezogen wurden. Als diese Einrichtung im März 1997 geschlossen werden musste, sorgte Rothert dafür, dass die Bibliothek in der Esmarchstraße vom 11. Juni 1997 an das Andenken an Tucholsky weiterführte.


Die Bibliothek in der Esmarchstraße

Nun steht auch diese vor dem Aus, so dass es für Brigitte Rothert eine Ehrensache ist, sich für deren Erhalt einzusetzen. Am 21. November will die Bezirksverordnetenversammlung über die Schließung entscheiden. Die KTG will beantragen, auf der zuvor angesetzten Fragestunde ein Statement abzugeben.

Bislang hat die Bibliothek schon jeden Mittwoch geschlossen. Bleibt abzuwarten, ob ein ewiger Mittwoch droht.

3.11.2007

Sprechen, schreiben, hören

Nach seinem Hörbuch „Unerledigte Konten“ hat Schauspieler Dieter Mann eine weitere CD mit Texten von Kurt Tucholsky aufgenommen. Sie heißt „Wenn tot, werde ich mich melden“ und enthält laut Verlagsangaben Tucholskys „letzte Briefe“. Zusammen mit anderen gesprochenen Briefen hat Jens Sparschuh sich die Doppel-CD für den Tagesspiegel angehört:

Auch wenn sich Tucholsky selbst am Ende seiner Briefe oft als einen „aufgehörten Dichter“ bezeichnete – seine Briefe beweisen das Gegenteil. Sie funkeln vor Ironie, sind stilistisch brillant, enthalten rasch hingeworfene Reflexionen ebenso wie detaillierte Analysen. Er schreibt über Gott („Gott ist groß, mir zu groß“) und die Welt (Paris: „Hier ist man nicht einsam, wenn man allein ist.“). Manch eine seiner Feststellungen ist von erstaunlicher Aktualität: „Der Sozialismus wird erst siegen, wenn es ihn nicht mehr gibt.“

Über den Grund, der aus Tucholsky im Exil einen reinen Briefeschreiber machte, täuscht sich Sparschuh allerdings.

Ohne Arbeitserlaubnis im schwedischen Exil, isoliert in einem fremden Sprachraum, waren ihm Briefe die letzte verbliebene Kommunikationsform,

heißt es in der Rezension. Das stimmt nicht ganz. Natürlich konnte Tucholsky in Nazi-Deutschland nicht mehr publizieren. Allerdings standen ihm die zahlreichen Exil-Medien sperrangelweit offen.

Aber wie schrieb Tucholsky in seinem letzten Brief an seine geschiedene Frau Mary Gerold:

Ich habe über das, was da geschehen ist, nicht eine Zeile veröffentlicht – auf alle Bitten hin nicht. Es geht mich nichts mehr an. Es ist nicht Feigheit – was dazu schon gehört, in diesen Käseblättern zu schreiben! Aber ich bin au dessus de la mêlée, es geht mich nichts mehr an. Ich bin damit fertig.

Es ist zu hoffen, dass sich dieser bewegende Brief vom November 1935 auf der CD befindet.

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