Comeback einiger Klischees
Geschlagene 16 Autoren hat der Spiegel aufgeboten, um in seiner 13-seitigen Titelgeschichte über „Das Comeback einer Weltstadt“ die derzeit gängigen Klischees über Berlin zusammenzutragen. Damit die These bestätigt werden kann, dass es in Berlin heute viel entspannter zugeht als früher, hat sich einer der Autoren wohl daran erinnert, dass Tucholsky sich damals eher kritisch zu seiner Heimatstadt geäußert hat:
Auch Kurt Tucholsky, obwohl Berliner von Geburt an, lebte mit seiner Stadt im Unfrieden. Er vermisste Geist und Großartigkeit. „Der Berliner kann sich nicht unterhalten. Manchmal sieht man zwei Leute miteinander sprechen, aber sie unterhalten sich nicht, sondern sie sprechen nur ihre Monologe gegeneinander“, befand er.
Die ganze Spezies der Stadt behagte ihm nicht: „Der Berliner schnurrt seinen Tag herunter, und wenn’s fertig ist, dann ist’s Mühe und Arbeit gewesen. Weiter nichts. Man kann siebzig Jahre in dieser Stadt leben, ohne den geringsten Vorteil für seine unsterbliche Seele“, schrieb er in einem Manuskript für das „Berliner Tageblatt“, veröffentlicht im Jahr 1919.
Das ist, der berühmten Spiegel-Dokumentation sei Dank, sogar korrekt zitiert und stammt aus dem Artikel „Berlin! Berlin!“, erschienen am 21. Juli 1919.
Weniger Glück hatte der Spiegel dagegen mit seinem Titelblatt, wie der Berliner Tagesspiegel kritisch bemerkt:
Nur beim Titelbild, einer Berlinisierung der berühmten New-York-Grafik Saul Steinbergs von 1976, vorne Manhattan, hinten der Rest der Welt, hätte man sich mehr geografische Sorgfalt gewünscht. Zwar erträumte sich schon Tucholsky als Berliner Wohnung „eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße“. Aber kein Weg führt, wie auf dem „Spiegel“-Titel suggeriert, vom Brandenburger Tor über die Siegessäule direkt in den Pazifik.
Aber selbst der Tagesspiegel weiß nicht, was der Klimawandel noch alles bringen wird.