22.3.2007

Comeback einiger Klischees

Geschlagene 16 Autoren hat der Spiegel aufgeboten, um in seiner 13-seitigen Titelgeschichte über „Das Comeback einer Weltstadt“ die derzeit gängigen Klischees über Berlin zusammenzutragen. Damit die These bestätigt werden kann, dass es in Berlin heute viel entspannter zugeht als früher, hat sich einer der Autoren wohl daran erinnert, dass Tucholsky sich damals eher kritisch zu seiner Heimatstadt geäußert hat:

Auch Kurt Tucholsky, obwohl Berliner von Geburt an, lebte mit seiner Stadt im Unfrieden. Er vermisste Geist und Großartigkeit. „Der Berliner kann sich nicht unterhalten. Manchmal sieht man zwei Leute miteinander sprechen, aber sie unterhalten sich nicht, sondern sie sprechen nur ihre Monologe gegeneinander“, befand er.

Die ganze Spezies der Stadt behagte ihm nicht: „Der Berliner schnurrt seinen Tag herunter, und wenn’s fertig ist, dann ist’s Mühe und Arbeit gewesen. Weiter nichts. Man kann siebzig Jahre in dieser Stadt leben, ohne den geringsten Vorteil für seine unsterbliche Seele“, schrieb er in einem Manuskript für das „Berliner Tageblatt“, veröffentlicht im Jahr 1919.

Das ist, der berühmten Spiegel-Dokumentation sei Dank, sogar korrekt zitiert und stammt aus dem Artikel „Berlin! Berlin!“, erschienen am 21. Juli 1919.

Weniger Glück hatte der Spiegel dagegen mit seinem Titelblatt, wie der Berliner Tagesspiegel kritisch bemerkt:

Nur beim Titelbild, einer Berlinisierung der berühmten New-York-Grafik Saul Steinbergs von 1976, vorne Manhattan, hinten der Rest der Welt, hätte man sich mehr geografische Sorgfalt gewünscht. Zwar erträumte sich schon Tucholsky als Berliner Wohnung „eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße“. Aber kein Weg führt, wie auf dem „Spiegel“-Titel suggeriert, vom Brandenburger Tor über die Siegessäule direkt in den Pazifik.

Aber selbst der Tagesspiegel weiß nicht, was der Klimawandel noch alles bringen wird.

14.3.2007

Zieh Dich aus, deutscher Witz

Die ARD will in einer dreiteiligen Reportage und Dokumentation das Wesen des deutschen Humors ergründen und „deutsche Lachgewohnheiten“ der vergangenen 60 Jahre beschreiben. Das gibt den übrigen Medien natürlich Gelegenheit, die sattsam bekannten Klischees über den Humor der Deutschen hervorzukramen. So schreibt Stefan Behr in der Frankfurter Rundschau darüber:

Ach ja, die Deutschen und der Humor. Ein weites Feld, aber kein unbeackertes. Was da schon alles geschrieben und erzählt wurde. Meistens Quatsch. Dass der Deutsche als solcher zum Lachen in den Keller geht und das sehr selten, weil er ohnehin keinen Humor hat. Wenn dem so wäre, dann müssten Gestalten wie Tucholsky, Busch, Valentin, Gernhardt und Loriot vom Himmel gefallen sein.

Wobei Tucholsky wiederum in dem wenig bekannten Text „Etwas vom Humor“ die These vertritt, dass von der geringen Zahl deutscher Humoristen eben nicht auf den durchaus vorhandenen deutschen Humor geschlossen werden könne.

Die erste Folge der ARD-Dokumentation widmet sich übrigens dem „Sex und so“. Welche Art Witze Tucholsky zu diesem Thema beizusteuern hatte, ist dem vor kurzem erschienenen Band 18 der Gesamtausgabe zu entnehmen. Darin begründet er einen Besuch bei seinen Kriegskameraden Jakopp und Karlchen wie folgt:

Ich muß schon deshalb kommen, weil ich einen ganzen Waschkorb voller Witze weiß – so den: Der Großfürst Dimitrij fährt in der Bahn. Gegenüber eine sehr schöne Dame. Der Großfürst: «Fahren Gnädige nach Warschau?» – Die Dame: «Nein.» – «Fahren Gnädigste nach Krakau?» – «Nein.» – Der Großfürst: «Genug geflirtet! Zieh dich aus!»

2.3.2007

Tucholsky wieder digital

Seit geraumer Zeit war Band 15 der Digitalen Bibliothek von Directmedia zu Kurt Tucholsky nicht mehr lieferbar. Kein Zeichen dafür, dass sich die CD trotz ihrer hervorragenden Recherchemöglickeiten gut verkauft hat. Nun ist sie jedoch wieder aufgelegt worden, was auch mit dem Wegfall des Urheberschutzes für das Werk Tucholskys zusammenhängen dürfte. An eben diesem Urheberrecht dürfte es wohl auch liegen, dass die noch geschützten Materialen, die neben den Werken und Briefen in der ersten Ausgabe enthalten waren, nun fehlen. Dazu zählen die rororo-Monographie „Kurt Tucholsky“ von Michael Hepp sowie zahlreiche Bilddokumente.

Dies hat jedoch nicht dazu geführt, dass der Preis der CD deutlich reduziert wurde. Statt früher 99 Mark kostet sie nun 45 Euro. Ob sich die zweite Auflage besser verkauft als die erste, bleibt daher fraglich.

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