29.5.2006

Das Gegenteil von Adof


„Ist Kurt Tucholsky noch der Größte?“
titelt Michael Angele heute in der Netzeitung. Anlass für diese Frage, die nur rhetorisch gemeint sein kann, ist eine „Neuausgabe“ des „Deutschland, Deutschland über alles“-Buches. Als „Die beste Kritik zur Lage der Nation“ hat Herausgeber Timo Rieg diese Ausgabe bezeichnet.

Eine Behauptung, die Angele anhand der Originaltexte überprüfen möchte. Dabei kommt er zu dem wohl naheliegenden Schluss, dass sich seit den Zeiten Tucholskys viel verändert hat:

Nicht nur im deutschen Verkehr. Auch das Verhältnis zu Militarismus und Obrigkeit ist ein anderes geworden, die „Beamtenpest“ scheint nicht mehr unbesiegbar, die Presse mag gegängelt werden, die Justiz sich irren, die selben sind sie nicht mehr. Nein, was bleibt, ist eine einmalige, unverkennbare Stimme, die über die Zeiten hinweg aus den Texten von „Deutschland, Deutschland über alles“ spricht.

Um diese Stimme zu beschreiben, bedient sich Angele einer eleganten Methode:

Sie enthält alles, was dieser fehlt:

„Manchmal überbrüllt er sich, dann kotzt er. Aber sonst nichts: nichts, nichts, nichts. Keine Spannung, keine Höhepunkte, er packt mich nicht (…). Kein Humor, keine Wärme, kein Feuer, – nichts.“

Wer mit dieser Beschreibung gemeint ist, steht hier. An Tucholskys Einschätzung hat sich auch durch Bruno Ganz hoffentlich nichts geändert.

Das Eine-Million-Euro-Gedicht

Diese Frage war aber wirklich schwer. Von wem stammen die Verse „Der Fußballwahn ist eine Krankheit, aber selten, Gott sei Dank!“ wurde Günther Jauch am Samstag in seiner eigenen Show gefragt. War es A: Kurt Tucholsky, B: Erich Kästner, C: Heinz Erhardt oder D: Joachim Ringelnatz? Die richtige Antwort steht hier. Da Jauch sie nicht wusste, riskierte er lieber nicht die auf dem Spiel stehenden 500.000 Euro und ließ sie direkt der Deutschen AIDS-Stiftung zukommen.

Ernsthaft in die Auswahl wären als Antworten wohl nur C und D gekommen. Denn Kästner reimte irgendwie anders, und Tucholsky hat sich offenbar so wenig für Fußball interessiert, dass der Sport ihm nicht einmal ein kritisches Gedicht wert war. So schrieb er 1932 von Wien aus an seine Freundin Hedwig Müller:

Was da so brüllt, sind die Zuschauer eines Fußballmatches in der Nähe. Wofür sich die Leute so begeistern können, wie?

Wobei an der richtigen Antwort D wiederum erstaunt, dass der Autor des Gedichtes schon 1934 gestorben ist. Was lange wahnt, wird nicht immer gut.

28.5.2006

Tucholsky rockt

Nach etlichen anderen Medien hat sich auch die „Frankfurter Rundschau“ jüngst einmal im brandenburgischen Städtchen Rheinsberg umgeschaut. Harry Nutt sah dort nicht nur „Gespenster im Schlosspark“, sondern traf sich offenbar auch mit Peter Böthig, dem Leiter des dortigen Tucholsky-Museums. Der berichtete von interessanten Projekten:

Zusammen mit einer mobilen Jugendpflegerin plant er eine Veranstaltung unter dem Titel „Tucholsky rockt“. Junge Leute sollen sich mit der Tradition des politischen Pazifisten Kurt Tucholsky identifizieren können.

Was es damit auf sich haben könnte, geht aus dem Text leider nicht hervor. Zwar wurden Tucholskys Couplets und Gedichte sehr häufig vertont, aber dass die Rockmusik den „politischen Pazifisten Kurt Tucholsky“ für sich entdeckt hat, war außerhalb Rheinsbergs bislang wenig bekannt. Vielleicht handelt es sich dabei aber auch nur um ein sprachliches Problem. Denn wie schreibt Nutt:

Reisewarnung, No-Go-Area, Menschen mit Migrationshintergrund … . Das öffentliche Sprechen befindet sich in einem Formulierungsnotstand. Vorsicht, Reisende. Sie verlassen jetzt den semantischen Sektor. Gehen Sie nicht weiter. Don’t go.

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