Zum 70. Todestag von Magnus Hirschfeld findet sich ein ausführliches Porträt des Sexualwissenschaftlers in der „taz“. Ralf Dose und Jan Feddersen weisen in ihrem Text „Der Sex-Sammler“ darauf hin, dass Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft auch von „freisinnigen Intellektuellen“ anerkannt worden sei.
Berlin war auch durch diesen Mediziner die Hauptstadt der World Queer Nation. Walter Benjamin, Kurt Tucholsky und Thea Sternheim erwähnten ihn in ihren Schriften gern.
In der Tat stießen Hirschfelds Bemühungen um sexuelle Aufklärung bei Tucholsky im Prinzip auf Sympathien. Aber im Detail äußerte er auch starke Kritik:
Die Persönlichkeit des Doktor Hirschfeld ist vielen von uns nicht allzu angenehm. Sein allzu hitziges und nicht immer geschmackvolles Eintreten für die Homosexuellen hat es jahrelang fast unmöglich gemacht, die Aufhebung des § 175 zu betreiben, weil sich die Materie unter seinen Händen langsam in ein Moorbad verwandelt hatte. Eine ziemlich üble Mischung von kitschiger Sentimentalität, falscher Romantik und einer Schein-Wissenschaftlichkeit, die mancher männlichen Jungfer einen Ersatz für das Leben bot, zeichneten Werke und Wirken des Mannes aus. Seine Aufklärungsfilme waren entsprechend.
Ignaz Wrobel: „Hepp hepp Hurra!“, in: Freiheit, 15.10.1920
Und selbst in den Fällen, in denen er Hirschfeld vor reaktionären Bestrebungen in Schutz nahm, brachte er seine Distanz zu dessen Vorgehensweise zum Ausdruck:
Es ist eine Dreistigkeit sondergleichen, einen Wissenschaftler wie Hirschfeld auf eine Schmutzliste zu setzen. Ich stimme mit dem Mann in vielen Punkten nicht überein; über die Art seiner Propaganda läßt sich manches sagen – aber doch immer mit dem Hut in der Hand, doch immer mit der Anerkennung: Hier hat sich einer für eine vernünftige Sache gegen seine Zeit und die Schande des Strafgesetzentwurfs gestemmt.
Ignaz Wrobel: „Nr. 1“, in: Die Weltbühne, 10.9.1929, S. 381
Wenn Tucholsky in seinen Schriften Hirschfeld „gern“ erwähnte, dann zum Teil wohl auch als abschreckendes Beispiel.