Weil der Suhrkamp-Verlag dieser Tage die Edition von Hermann Hesses Gesamtausgabe fertiggestellt hat, beleuchtet die „FAZ“ aus diesem Anlass die verschiedenen Aspekte von Hesses Werk. So habe es neben dem Schriftsteller Hesse auch den Literatur- und Zeitkritiker gegeben, dessen Betrachtungen durch die Gesamtausgabe nun vollständig zugänglich gemacht worden seien, schreibt Michael Hierholzer in dem Text „Der ganze Hesse“. Und um die Qualitäten Hesses auf den weniger bekannten Gebieten zu betonen, heißt es:
Tucholsky immerhin befand 1931: „Hesses Buchkritiken haben zur Zeit in Deutschland kein Gegenstück. Aus jeder Buchkritik Hesses kann man etwas lernen, sehr viel sogar.“
Das Tucholsky-Zitat ist dabei fast richtig wiedergegeben. Aber nur fast. Denn im Originaltext steht ein „dagegen“ hinter dem Wort „Buchkritiken“. Der positiven Einschränkung geht folgende, eher kritische Passage voran:
Ich halte Hesse für einen Schriftsteller, dessen Qualitäten als Essayist weitaus größer sind als seine dichterischen Eigenschaften. In seinen Dichtungen ist er entweder weitschweifig, zokkersüß, wenn es auch wirklicher, guter Kristallzucker ist und keine Melasse, manchmal wäich und dann wieder säuerlich.
Peter Panter: „Auf dem Nachttisch“, in: Die Weltbühne“, 3.3.1931, S. 321
Den „ganzen Hesse“ besprach Tucholsky aber zu dessen 50. Geburtstag. In einer umfangreichen Würdigung versuchte er, die Kritik an Hesse als einem exemplarischen „deutschen Menschen“ an einem bestimmten Defizit festzumachen:
Was fehlt aber Hesse, was fehlt dem ‚deutschen Menschen‘, das ihn so unleidlich macht, das seine Vorzüge aufhebt, seine Fehler verdoppelt? Was fehlt ihnen -?
(…)
Hesse hat keinen Humor. Der ‚deutsche Mensch‘, der da, den ich meine: er hat keinen Humor. Hätte er ihn, er wäre so nicht.
Ignaz Wrobel: „Der deutsche Mensch“, in: Die Weltbühne, 30.8.1927, S. 332
Ob diese Humorlosigkeit die folgende Feststellung von Hesse-Herausgeber Volker Michels erklären hilft?
Wie Volker Michels berichtete, kommen zu seinen Vorträgen vorwiegend junge Menschen zwischen 18 und 35 Jahren sowie solche im Rentenalter, die offensichtlich in ihrer Jugend Hesse-Lektüre betrieben haben. Die arbeitende Bevölkerung fehle, sagt der Herausgeber lächelnd: Offenbar vertrage es sich nicht, berufstätig zu sein und Hermann Hesse zu lesen.