Sprechen, schreiben, hören
Nach seinem Hörbuch „Unerledigte Konten“ hat Schauspieler Dieter Mann eine weitere CD mit Texten von Kurt Tucholsky aufgenommen. Sie heißt „Wenn tot, werde ich mich melden“ und enthält laut Verlagsangaben Tucholskys „letzte Briefe“. Zusammen mit anderen gesprochenen Briefen hat Jens Sparschuh sich die Doppel-CD für den Tagesspiegel angehört:
Auch wenn sich Tucholsky selbst am Ende seiner Briefe oft als einen „aufgehörten Dichter“ bezeichnete – seine Briefe beweisen das Gegenteil. Sie funkeln vor Ironie, sind stilistisch brillant, enthalten rasch hingeworfene Reflexionen ebenso wie detaillierte Analysen. Er schreibt über Gott („Gott ist groß, mir zu groß“) und die Welt (Paris: „Hier ist man nicht einsam, wenn man allein ist.“). Manch eine seiner Feststellungen ist von erstaunlicher Aktualität: „Der Sozialismus wird erst siegen, wenn es ihn nicht mehr gibt.“
Über den Grund, der aus Tucholsky im Exil einen reinen Briefeschreiber machte, täuscht sich Sparschuh allerdings.
Ohne Arbeitserlaubnis im schwedischen Exil, isoliert in einem fremden Sprachraum, waren ihm Briefe die letzte verbliebene Kommunikationsform,
heißt es in der Rezension. Das stimmt nicht ganz. Natürlich konnte Tucholsky in Nazi-Deutschland nicht mehr publizieren. Allerdings standen ihm die zahlreichen Exil-Medien sperrangelweit offen.
Aber wie schrieb Tucholsky in seinem letzten Brief an seine geschiedene Frau Mary Gerold:
Ich habe über das, was da geschehen ist, nicht eine Zeile veröffentlicht – auf alle Bitten hin nicht. Es geht mich nichts mehr an. Es ist nicht Feigheit – was dazu schon gehört, in diesen Käseblättern zu schreiben! Aber ich bin au dessus de la mêlée, es geht mich nichts mehr an. Ich bin damit fertig.
Es ist zu hoffen, dass sich dieser bewegende Brief vom November 1935 auf der CD befindet.