2.6.2007

Zwecks Valentin

Da es schon in allen Zeitungen gestanden hat, sei es auch hier nicht unerwähnt. Ja, Tucholsky hat den Müncher Komiker Karl Valentin, der am 4. Juni dieses Jahres 125 Jahre alt geworden wäre, wohl ziemlich lustig gefunden. Zu recht natürlich.

Erwiesenermaßen hat Tucholsky Valentin zwei Mal auf der Bühne gesehen. Einmal im September 1924 bei einem Gastspiel Valentins in der Operettenbühne am Schiffbauerdamm in Berlin. Aus seiner begeisterten Kritik „Der Linksdenker“ wird häufig und gern die folgende Passage zitiert:

weil er ein seltener, trauriger, unirdischer, maßlos lustiger Komiker ist, der links denkt.

Das zweite Mal sah Tucholsky eine Valentin-Vorstellung bei einem Abstecher im Juli 1926 nach München. Schon in den Tagen zuvor erwähnte er diesen Abend in jedem seiner Briefe an seine Frau Mary. Verbunden mit einer kleinen Valentin-Anekdote:

Valentin lebt mit der Lisl Karlstadt (dem dicken Kapellmeister) zusammen, ist aber verheiratet und hat Kinder. Eines Tages geht er mit der Karlstadt, da kommt die richtige Frau Valentin und hält die Karlstadt an und beginnt, maßlos auf offner Straße zu schimpfen. «Sie Schlampen! Sie leben mit mein Mann! I wer Eahna …» und so. Es laufen schon Leute zusammen, und dem Valentin fängt die Geschichte an, sehr unangenehm zu werden. Darauf, er zu den Leuten:

«Gehns weiter. Das is a Kinoaufnahmen!» –

Da könnte selbst die „Christlich-Sexuelle Union (CSU)“ noch etwas lernen.

Der Theaterbesuch selbst fand seinen Niederschlag in dem Text „Abstecher nach München“, der längst nicht so enthusiastisch ausfiel wie die Kritik zwei Jahre zuvor:

Das Stück ist dumm, auch redet er diesesmal nicht so viel, wie man das gern hat, und was drum herum steht, ist bis auf die Karlstadt bitter.

Sechs Jahre später schien Tucholsky wieder milder gestimmt, als er ein Buch Valentins in dem Text „Zwecks Lachung“ rezensierte.

Und wenn man dieser Trostlosigkeit der deutschen Politik entfliehen möchte, nur für ein Viertelstündchen -: da wäre ein Buch erschienen, das, wie es in der Vorrede heißt, »zum Umblättern geeignet ist«, und darum handelt es auch von Karl Valentin (…).

Auch im Exil erinnerte sich Tucholsky häufig an Valentin und kolportierte seinen Briefadressaten mehrfach einige Anekdoten, die Valentins Distanz zum Nationalsozialismus deutlich machten. So 1935 an seinen Freund Walter Hasenclever:

Na, und so laßt uns denn vernehmen, was unser aller Karl Valentin gesagt hat. Erstens; recht donnernd: «Heil …» und dann, mit verzweifelt gesenktem Arm, verlegen: «Wie heißt er doch gleich?» Und dann:
«Wir haben schweres durchgemacht. Erst war da der Kaiser und die Monarchie. Na, und was hatten wir dann? Den Krieg. Und dann war da die Revolution. Und was hatten wir danach? Die Inflation. Und dann war da die Republik. Und was hatten wir dann? Die Arbeitslosigkeit. Und dann der Nationalsozialismus. Und was haben wir heute?
Donnerstag.»

Von Valentins NS-Akte war Tucholsky natürlich nichts bekannt. Laut „Spiegel“ (Nr. 23, S. 173) unterschrieb der Komiker seine Briefe an die Reichskulturkammer durchaus mit „Heil Hitler!“. Außerdem soll er den Filmemacher Walter Jerven unzutreffend als „Samuel Wucherpfennig“ und damit indirekt als Juden denunziert haben. In einem Streit mit dem Regisseur Erich Engels soll er sich direkt an Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß gewandt haben. Mit Erfolg. Die Reichsfachschaft Film habe angewiesen, auf die „besonders sensible Natur“ Valentins Rücksicht zu nehmen.

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