Gut geküsst, Levy
Wenige Tage vor seinem Kino-Start beschäftigt der „Führer“-Film Dani Levys weiterhin das Feuilleton. Die Frankfurter Rundschau, bekanntlich nicht sonderlich Tucholsky-fest, wollte dem rätselhaften Filmeinstieg auf den Grund gehen. Und fragte den Regisseur:
Herr Levy, sie haben ihrem Film ein Zitat von Kurt Tucholsky vorangestellt: „Man muss die Nationalsozialisten küssen, wo man sie trifft.“ Tucholsky ist 1933 ins Exil gegangen, hat 1935 Selbstmord begangen. Warum dieses Zitat?
Abgesehen davon, dass das Zitat natürlich „Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft!“ lautet und Tucholsky Deutschland schon 1924 in Richtung Paris verlassen und sich 1929 seine abgeschiedene Villa in Schweden gesucht hatte, kann auch Levy die Frage nicht wirklich erschöpfend beantworten:
Weil es natürlich die ganze Widersprüchlichkeit unserer Aufarbeitung des Nationalsozialismus vorwegnimmt. Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft: Was heißt das? (Lacht) Heißt das, wir sollen den Faschisten in uns umarmen? Heißt das, wir sollen sie an uns ranlassen und sie küssen? Was heißt küssen? Heißt das verzeihen, heißt das versöhnen? Natürlich nicht. Heißt küssen, sie mit den Waffen bekämpfen, die sie auf keinen Fall abwehren können? Da ist soviel Widersprüchlichkeit allein schon in diesem einen Satz drin, die ich als programmatisch empfand für die Spannung, die auch in dem Film drin ist.
Levy hätte natürlich auch antworten können: „Tucholskys Aufforderung ist einfach nur ironisch gemeint und bedeutet nichts anderes, als dass man die Gewalt der Nazis auf keinen Fall widerstandslos hinnehmen sollte. Insofern hat das Zitat gar nichts mit meinem Film zu tun.“
Aber wie sagte Franz Beckenbauer alias Olli Dittrich zum Thema Widerspruch schon neulich in der „Harald-Schmidt-Show“: „Es kann kein Widerspruch sein, wenn man sich widerspricht!“
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