Strom und Wasser

Es ist schon erstaunlich, zu welchen Themen bisweilen Anthologien veröffentlicht werden. Die Oberhessischen Versorgungsbetriebe AG (Ovag) mit Sitz in Friedberg kümmern sich nicht nur um die Strom- und Wasserversorgung in Oberhessen, sondern sorgen sich auch um das literarische Wohl ihrer Kunden. Zu diesem Zweck geben sie bereits die zweite Sammlung von Texten heraus, die sich mit den von ihnen vertriebenen Produkten beschäftigt: „Der Strom und das Wasser“.

Von den Fluten des Gilgamesch-Epos zum aktuellen Bestseller-Autoren Frank Schätzing („Der Schwarm“), von den Geistern des Meeres und der Flüsse des Philosophen Tschuang-Tse über Schillers „Taucher“, Moby Dick, Mark Twain, Kurt Tucholsky, Hermann Hesse und Ingeborg Bachmann bis hin zu Henning Mankell – über 60 Autoren sind mit ihren Texten in dem neuen OVAG-Buch „Der Strom und das Wasser“ vertreten – ein Buch, das auf 310 Seiten Funken und Strudel aus der Weltliteratur versammelt.

heißt es auf den Internetseiten der Ovag und in der „Frankfurter Neuen Presse“, die die gesamte Pressemitteilung fast wortgleich übernommen hat.

Welchen Text des Strom- und Wasserexperten Tucholsky die Ovag wohl für übernahmewürdig befand? Vielleicht denjenigen über das Wasser-Sanatorium aus den „Nachher“-Stücken:

Weit, äonenweit: Wasser, eine stille Fläche. Sie lag in der Luft wie eine hauchige Scheibe, glasdünn, glasklar, wie mir schien. Ich sagte ihm das. „Es ist nicht klar“, sagte er. „Das ist es eben. Es ist hier zur Erholung, das Wasser. Es ist abgeguckt.“ – „Was ist es -?“ sagte ich. „Es ist abgeguckt“, sagte er. „Sie haben da alle hineingesehn – setzen wir uns. Ich werde Ihnen das erklären.“
(…)
„Sie haben so viel hineingetan, das Wasser ist voll davon, und jetzt ruht es sich aus. Mein Lieber, wer hat da alles Bröckchen des Lebens hineingeworfen! Bröselchen von Schmerz, Erinnerung, Wehleidigkeit, Faulheit, Tobsucht, zerbissene Wut, heruntergeschlucktes Begehren –! Das strengt an. Das arme Wasser liegt hier und ruht. Es muß wieder sauber werden. Es ist vermenscht.“
Kaspar Hauser: „Nachher“, in: Die Weltbühne, 28.12.1926, S. 1019

Nachtrag 20.4.: Auch der „Gießener Anzeiger“ versteht sich bestens darauf, Pressemitteilungen nahezu unverändert abzudrucken.

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