Humor ohne Humoristen

Eines der wenigen, allgemein auf Zustimmung stoßenden Urteile über die Deutschen besteht darin, dass sie zwar ein fleißiges und diszipliniertes, aber letztlich humorloses Völkchen seien. Dieses Urteil wurde auch regelmäßig hervorgeholt, wenn es darum ging, den von Robert Gernhardt im vergangenen Jahr vorgelegten Sammelband komischer deutscher Gedichte zu besprechen. In dieselbe Kerbe schlägt nun auch Alexander von Bormann, der sich für den „Tagesspiegel“ sowohl Gernhardts Band „Hell und schnell“ als auch die von Steffen Jacobs zusammengestellte Anthologie „Die komischen Deutschen“ näher angeschaut hat. Der erste Satz seiner Rezension lautet daher lapidar: „Die Deutschen gelten nicht als komisch.“

Es sollte aber einem zu denken geben, wenn ausgerechnet einer derjenigen, die gemeinhein als Vertreter der raren Spezies deutscher Humoristen gelten und in den Bänden mit Texten vertreten sind, zu einer ganz anderen Auffassung gelangte:

Wir Deutschen haben Humor – ja, man kann fast versucht sein, zu sagen, deutscher Humor, das sei fast ein Pleonasmus, so wie deutsche Musik. Und beinahe ist es in der Tat auch so.
Doch haben wir nicht viele Humoristen.
Ignaz Wrobel: „Etwas vom Humor“, in: Frankfurter Zeitung, 23.10.1918

Falls diese feine, aber nicht unbedeutende Unterscheidung zutrifft, lässt sich damit auch der Eindruck erklären, den Deutschland vermittels seiner humoristischen Erzeugnisse auf das Ausland macht. Denn von außen spiegelt sich der Humor eines Landes vor allem in den Werken seiner „Humoristen“ wider. Da sich der volkstümliche Humor jedoch nicht in den Werken der Humoristen erschöpfe, könne dieser Eindruck trügen, schreibt Tucholsky weiter:

Jeder Humorist ist ein Philosoph, und ein solcher arbeitet nicht schludrig. Gerade er muß das feinste Gefühl für die Form haben, für die Sprache – und er muß nicht nur fühlen, er muß auch arbeiten können. Daher sind in der Kunst die Humoristen so selten.
Nun gibt es aber – wie in der Lyrik – ein Naturburschentum des Humors, das mit Kunst nur sehr mittelbar etwas zu tun hat, insofern sein Niederschlag aufgeschrieben wird wie ein literarisches Kunstwerk auch. In den meisten Fällen wirds aber gar nicht aufgeschrieben.
In Walter Rathenaus „Reflexionen“ stehen zwei gute Seiten, auf denen er sagt, daß der Mann des Lebens überhaupt nicht schreibt. (Wenn ers einmal tut, belügt er sich meist.) Er schweigt und lebt. Taut ihm aber einmal die Zunge auf, in einer gemütlichen Kneipstunde um einen runden Tisch herum, am Kaminfeuer, unterwegs auf einer stillen Wanderung zu zweien – dann kommen Köstlichkeiten ans Tageslicht, von denen sich der Literat nichts träumen läßt. Behaglich Tiefgeschautes, lächelnd Beobachtetes, schmunzelnd Festgestelltes. Und abermals: auch das ist Humor.

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