Zurück in die Zukunft

Zu den vielen interessanten Menschen und Dingen, die an einem 20. Februar das Licht der Welt erblickt haben, gehört auch das Futuristische Manifest des italienischen Schriftstellers und Politikers Filippo Tommaso Marinetti. Da sich die Veröffentlichung in wenigen Tagen zum 100. Mal jährt, wird sich kaum ein Medium eine Würdigung dieses Ereignisses und dessen kulturgeschichtlicher Folgen entgehen lassen.

Zu den Menschen, die Marinetti noch persönlich in Augenschein nehmen konnten, gehörte Kurt Tucholsky. Er besuchte 1925 einen Vortrag des Italieners in Paris und hielt seine Eindrücke für die Weltbühne in einem längeren Text fest. Da dieser nicht in den Gesammelten Werken enthalten und daher wenig bekannt ist, sei er an dieser Stelle komplett wiedergegeben. Um auf den Geschmack zu kommen, hier die nicht gerade vor Sympathie triefende Beschreibung der Marinetti-Anhänger:

In einer ganz kleinen Stampe auf dem Boulevard Raspail, ein paar Minuten von den pariser Romanischen Cafés, wo die zweiundzwanzig sich ewig wiederholenden Spielarten langweiliger Psychopathen sich Bedeutung von der Legende borgen, Lenin habe hier eines Tages gesessen … Unordentliche Bürger — vorüber.

   In dem kleinen Gastzimmer der Kneipe hängen Stilleben: »Dalles im Mondschein« und Aquarelle in Öl; auf den Holzstühlen — die zu fünf Francs haben Popokissen — sind die Zuhörer angebracht: gepuderte, aber hysterische Damen, in ihren Naslöchern schlummert das Grauen; polnische Knaben, die einer Badewanne gegenübergestellt zu werden verdienen; amerikanische Maler; ein ganz dünner Kunstkritiker, völlig ausgelaugt vom Theoretisieren, als habe er jahrelang in Essig gelegen; und wieder Frauen, die einem die ganze Freude am heterosexuellen Umgang nehmen können … Marinetti ist da.

   Ein Mann Mitte der Vierziger, mit so hoher Stirn, daß sie schon Glatze genannt werden darf, kleinem dunkeln Schnurrbart, schwarzen Augen, die später glühen werden. […]

Kommentare (0)
Kommentieren