Es macht irgendwann keinen Spaß mehr.
Bislang war man ja daran gewöhnt, dass das Kerschhofersche Gedicht von der »Höheren Finanzmathematik« als Ganzes Tucholsky zugeschlagen wurde. Nun fangen die Kollegen aber schon an, einzelne Verse daraus herauszuklauben und als Original-Tucholsky-Zitate unters Volk zu bringen. So beispielsweise die Neue Osnabrücker Zeitung in einem Kommentar zur Krise beim Autozulieferer Schaeffler:
Egal, wie eine bayerisch-niedersächsische Staatshilfe für die Autozulieferer Schaeffler und Conti aussehen soll: Sie verbietet sich. Zwar ließe sich argumentieren, dass der Steuerzahler schon den Aktionären der Allianz das Abstoßen der Dresdner Bank zu Top-Konditionen ermöglicht hat und der Auto-Industrie die Steigerung der Nachfrage nach Neuwagen bezahlt. Frei nach dem Tucholsky-Wort: »Der Gewinn, der bleibt privat, die Verluste kauft der Staat.«
Diese sehr freie Peinlichkeit hat Nils Dietrich in der Rheinischen Post zum selben Thema noch überboten:
In diesen Tagen der Wirtschaftskrise ruft sich ein altes Sprichwort von Kurt Tucholsky immer wieder ins Gedächtnis: »Der Gewinn, der bleibt privat, die Verluste kauft der Staat.« So geschieht es derzeit im Bankensektor, demnächst kommt offenbar noch ein Rettungsschirm für Unternehmen hinzu.
Dieses unglaublich alte Sprichwort, das wir uns ja schon in der DKP-Kindergruppe immer zugeflüstert haben…
Wenn schon Tucholsky in dieser Situation, dann doch bitte der aus dem »Kurzen Abriß der Nationalökonomie«:
Jede Wirtschaft beruht auf dem Kreditsystem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andre werde gepumptes Geld zurückzahlen. Tut er das nicht, so erfolgt eine sog. »Stützungsaktion«, bei der alle, bis auf den Staat, gut verdienen. Solche Pleite erkennt man daran, daß die Bevölkerung aufgefordert wird, Vertrauen zu haben. Weiter hat sie ja dann auch meist nichts mehr.