Manchmal ist es schon erstaunlich, wie lange die Rezension eines Buches auf sich warten lässt. Für die Seiten von literarturkritik.de hat sich Malte Horrer Tucholskys „Deutschland, Deutschland über alles“ angeschaut und besprochen. Wenigstens muss man ihm zugute halten, dass er nicht das Original von 1929 genommen hat, sondern die aktualisierte Fassung von Timo Rieg. Die ist allerdings auch schon vor zwei Jahren erschienen.
Das macht im Grunde überhaupt nichts. Denn nach Ansicht Horrers sind die Texte Tucholskys ohnehin zeitlos. Aber deren Zusammenstellung aus den zwanziger Jahren weise inzwischen gravierende Nachteile auf:
Erstens stehen die Kapitel bei Tucholsky wie Kraut und Rüben durcheinander – Beispiele über Beispiele ohne irgendeinen sinnvollen Zusammenhang. Und zweitens sind es der Beispiele zu viele – und zu viele ohne die nötige inhaltliche und sprachliche Schlagkraft. Das Original von Tucholsky aus dem Jahre 1929 ist heute letztlich ein ermüdendes Buch!
Dem muss man nicht unbedingt zustimmen, auch wenn man mit der Netzeitung feststellt, dass sich seitdem einiges in Deutschland geändert hat. Aber umso besser, dass es nun eine neue Ausgabe gibt:
Timo Rieg aber hat die potentielle Schlagkraft von „Deutschland, Deutschland über alles“ – so lautet der Titel auch heute – dennoch erkannt: Er hat aus dem Buch die Perlen herausgesucht, sie systematisch neu zusammengestellt (nach Bereichen wie Politik, Beamtenapparat, Justiz et cetera), um andere passende Texte von Tucholsky und um eigene aktuelle Texte ergänzt. […] So sind von dem eigentlichen Buch Tucholskys gerade einmal 8% der Texte übrig geblieben. Ob man das noch „neu herausgegeben“ nennen kann? Ein anderes Etikett wäre vielleicht besser, zumindest aber ehrlicher gewesen.
Vielleicht erscheint die zweite Auflage ja unter dem Titel „Deutsche Frauen, deutsche Treue“.