Zwei neue Jünger

Fast 1400 Seiten musste Stephan Reinhardt bewältigen, um für den Deutschlandfunk zwei soeben erschienene Biografien über Ernst Jünger zu rezensieren. Zwar seien beide recht unterschiedlich geschrieben, heißt es in dem Text, doch sei beiden gemein,

dass sie den 1895 geborenen und 1998 im Alter von 102 Jahren an Herzschwäche gestorbenen Ernst Jünger auf ein Podest stellen. Trotz gelegentlicher Einwände ist Jünger für sie eine unverrückbare Zentralgestalt der europäischen Moderne.

Besonders missfällt Reinhardt, dass die Biografen Jüngers militanten Nationalismus lediglich mit dem Versailler Vertrag zu erklären versuchen und seinen Antiparlamentarismus mit der Kritik der Weltbühne an der Weimarer Republik auf eine Stufe stellen.

Es schmerzt regelrecht, wenn Kiesel, der den „republikfeindlichen Antiparlamentarismus“ Jüngers erklären will, dabei pazifistische Schriftsteller wie Tucholsky und Ossietzky zu radikalen Republikfeinden stempelt. Dabei hängt er sich an Riccardo Bavajs oberflächliche Studie „Von links gegen Weimar“ an. Das ist so unredlich wie falsch. Denn Jüngers Gegenspieler Tucholsky und Ossietzky waren gewiss Kritiker des Parlamentarismus, im Zweifelsfalle aber war ihnen die Demokratie das Wichtigste. Natürlich wussten sie, dass in ihr Menschen- und Freiheitsrechte eher geschützt werden als in Diktaturen.

Diese Einschätzung ist sicher nicht ganz unzutreffend. Vor allem aber kritisierten Tucholsky und Ossietzky die Weimarer Regierungen dafür, dass diese die antidemokratischen und antirepublikanischen Bestrebungen der Reaktion nicht scharf genug bekämpften und somit Frieden und Demokratie in Gefahr brachten. Den Vorwurf eines solch gearteten „Antiparlamentarismus“ kann man Jünger sicherlich nicht machen.

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