Am 9. Juni ist mit Rudolf Arnheim der letzte noch lebende Autor der „Weltbühne“ gestorben. Tucholsky hat sich in seinen Texten des öfteren auf den jungen Kulturkritiker bezogen. In der „Vossischen Zeitung“ rezensierte er 1928 das erste Buch Arnheims:
Stimme von der Galerie
So heißt ein kleines Buch von Rudolf Arnheim, das im Verlag Dr. Wilhelm Benary, Berlin-Schlachtensee, erschienen ist. Eine Stimme von der Galerie? Im Parkett drehen sich die Leute herum, wer denn da gerufen habe – und sie sehen hinauf. Da steht ein noch sehr junger Herr und ruft.
Er schreit gar nicht sehr laut – aber weil die Stimme der Vernunft stets vom allgemeinen Getöse absticht, so hört man ihn doch. Die goldenen Worte, die Pastor Hans Reimann dem Buch vorangeschickt hat, charakterisieren den jungen Rufer recht gut: er weiß etwas, er ist helle, und er hat Humor. Und, möchte ich hinzufügen: er gibt uns mit leichter Hand das, was wir so selten bekommen – die «Fröhliche Wissenschaft». Das hört man gerne.
Er ruft seine Meinung über das Kino hinunter und über die Erziehung; über Boxkämpfe und über die Polizeiausstellung; über Psychoanalyse und über Malerei – und allemal hat er zuvor gearbeitet, und dann erst hat er gerufen. Das ist schon viel. (…)
Peter Panter, 8. Dezember 1928
PS: Die Nachrichtenagentur dpa hat in ihrer Meldung über Arnheims Tod die formelhafte Wendung gebraucht:
er stand in regem Austausch mit Kurt Tucholsky, Erich Kästner und Carl von Ossietzky.
Das verwundert im Falle Ossietzkys nicht, schließlich war Arnheim sein angestellter Redakteur. Was Tucholsky betrifft, so sind hingegen keine Zeugnisse dieses „regen Austauschs“ überliefert, weder Briefe noch andere biografische Hinweise. Daher hätte im Grunde nur Arnheim selbst diese These belegen können. Eine mögliche Quelle dafür findet sich in einer Publikation der Berliner Humboldt-Universität (nur Google-Cache), in der verschiedene Biographien von Studenten in der Weimarer Republik vorgestellt werden. Darin heißt es:
Nach dem Studium arbeitet Rudolf Arnheim als Redakteur für die Theaterzeitschrift „Weltbühne“. Hier trifft er Carl von Ossietzky, Kurt Tucholsky und Erich Kästner. Mit den letzten beiden pflegt er jahrelange Freundschaften, während ihn mit Ossietzky eine eher kollegiale Beziehung verbindet.
Der kleine Hinweis „nach Angaben von …“ hätte auch in diesem Falle die Behauptung ein wenig stützen können.
PPS: Berücksichtigt man eine Aussage Arnheims aus folgender Korrespondenz:
Ich redigierte den kulturellen Teil der Weltbühne wohl seit dem Herbst 1928. Nach Jacobsohns Tod übernahm Ossietzky die Redaktion und ließ mich fast ganz selbständig alles Unpolitische redigieren. Tucholsky war im Ausland und steuerte Rat, Kritik und Beiträge per Post bei.
dann bezog sich der „rege Austausch“ wohl ebenso wie im Falle Ossietzkys auf die redaktionelle Arbeit für die Weltbühne.