Dem Verleger wird zugesetzt

Wer wie Bernd Lunkewitz nach der Wende einmal Besitzer des „Weltbühne“-Verlages war, sollte auch das Original der Zeitschrift aus der Weimarer Republik ganz gut kennen. Mit einer speziellen Debatte aus jenen Tagen scheint Lunkewitz besonders gut vertraut. In einer Replik auf Günter Grass, der in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ höhere Autorenhonorare gefordert hatte, holt der Aufbau-Verleger diese Diskussion hervor:

Der Konflikt über die Teilung und Angemessenheit der Erlöse aus der Verwertung der Urheberrechte ist so alt wie die Buchbranche selbst. Aber aus der Debatte zwischen Kurt Tucholsky und Ernst Rowohlt in der „Weltbühne“ des Jahrgangs 1928 (Nr. 6, 20 und 33) über die Gewinnverteilung und die populäre Forderung „Macht unsere Bücher billiger!“ ist er schließlich in diesen Ruf gemündet: „Zahlt uns höhere Honorare!“
Bernd F. Lunkewitz: „Was ein Roman kostet“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.1.2005, Nr. 20, Seite 36

Die indirekte Behauptung von Lunkewitz, wonach Tucholsky lediglich billigere Bücher und keine höheren Honorare gefordert habe, ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Seitdem er sein erfolgreiches Erzähldebüt „Rheinsberg“ pauschal für einen relativ geringen Betrag an den Verleger Axel Juncker verkauft hatte, fanden sich Sticheleien gegen die ach so viel Verlust machenden Verlage häufig in Tucholskys Texten.

Wir wußten uns vor Honoraren gar nicht zu lassen. Ich zeigte damals meinen Vertrag, den ersten, den ich in meinem Leben gemacht hatte, dem damaligen Vorsitzenden des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller. Der weinte eine halbe Stunde vor Freude und streichelte mir dann leise den Kopf. Ich weiß bis heute nicht, was er damit hat sagen wollen. Und Juncker setzte inzwischen immerzu zu …
Kurt Tucholsky: „Rheinsberg“, in: Die Weltbühne, 8.12.1921, S. 579

Es war daher auch kein Zufall, dass Tucholsky seine Erzählung „Schloß Gripsholm“ mit einem fingierten Briefwechsel zwischen ihm und seinem Verleger Ernst Rowohlt beginnen ließ. Was sich für Rowohlt wenig schmeichelhaft ausnahm, – selbst nach Abzug der zweifellos darin enthaltenen Ironie:

Da wir grade von Lyrik sprechen:
Wie kommt es, daß Sie in § 9 unsres Verlagsvertrages 15 Prozent honorarfreie Exemplare berechnen? So viel Rezensionsexemplare schicken Sie doch niemals in die Welt hinaus! So jagen Sie den sauern Schweiß Ihrer Autoren durch die Gurgel – kein Wunder, daß Sie auf Samt saufen, während unsereiner auf harten Bänken dünnes Bier schluckt. Aber so ist alles.

Und was die von Lunkewitz erwähnte Debatte betrifft, so haben sich nicht nur Tucholsky und Rowohlt, sondern auch der Mitbegründer des Malik-Verlages, Wieland Herzfelde, daran beteiligt. Und Herzfelde, Bruder des Graphikers John Heartfield, kommt als Verleger ebenfalls zu dem Schluss, dass die Autoren zu wenig Honorar erhalten:

Ich bin der Meinung, das Honorar für die erste Auflage eines Buches muß der Autor als Ersatz für seine Existenzkosten während der Herstellungsdauer seines Werkes, das heißt für seine „Regie“ betrachten. (…) Es ist nicht einzusehen, warum der Verleger bei ersten Auflagen verdienen muss, wo doch der Autor, der sozusagen der Sozius des Verlegers ist, daran noch nicht verdient, und überdies zwei Risiken trägt, erstens das, ob er überhaupt einen Verlag findet und zweitens (gemeinsam mit dem Verleger) das, ob sein Buch Käufer findet.
Wieland Herzfelde: „Das deutsche Buch ist zu teuer“, in: Die Weltbühne, 14.8.1928, S. 245

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  • Sudelblog.de - Das Weblog zu Kurt Tucholsky » Schlürfende Zitate

    […] Die “Neue Zürcher” widmet sich in ihrem Artikel “Übersetzerhonorare als Existenzbedrohung” dem Streit zwischen deutschen Verlagen und Buch-Übersetzern. Autor Joachim Güntner hat wohl einmal davon gehört, dass Tucholsky sich früher gegen die Verleger polemisierte. Das sollte aber dennoch kein Grund sein, ihm folgendes Zitat zuzuschreiben. Da sie nicht erst seit Kurt Tucholsky als Ausbeuter karikiert werden, die «aus den Hirnschalen» der kreativen Urheber «Champagner trinken», ist ihnen klar, dass sie in der Öffentlichkeit mit strikt wirtschaftlichen Argumenten nicht durchdringen werden. […]