Fast vergessen

Der Berliner „Tagesspiegel“ bespricht in seiner Sonntagsausgabe die von Gregor Eisenhauer verfasste Biographie des österreichischen Literaten und Lebemannes Franz Blei. Wie so häufig bei Rezensionen von Werken fast vergessener Schriftsteller bedauert auch Rezensent Tobias Lehmkuhl, dass sich fast niemand mehr an Blei erinnert:

Heute ist Blei fast vergessen. Seine eindringlichen Frauenporträts, seine erotischen Studien, seine Theatertheorien und Literaturgeschichten, seine auch von Tucholsky geschätzten Rezensionen und Essays sind dem angesichts der unglaublichen Vielfalt brillanter Flaneurs und Feuilletonisten des ersten Jahrhundertdrittels über die Jahre aus dem Blick geraten.

In der Tat hatte Tucholsky eine sehr hohe Meinung von Blei, die sich im Laufe der Jahre auch nicht abschwächte:

Der kann große Menschen im Marionettenstil schön erkenntlich machen: er baut ein kleines Theaterchen auf, bewegt selbst die Drähte, spricht alle Rollen persönlich und versteht es gut, grade die weiblichen Puppen zu bewegen. (1913)

(…) dieser Schriftsteller, der sich in so vielen Fällen bescheiden pseudonym und anonym gibt, sollte viel mehr gelesen werden – wie wenige verfügen über diese Grazie, diese Bildung und diese spielende Leichtigkeit, ein solches Wissen so graziös zu verwerten. (1922)

Die Übersetzung ist befremdend. Die Übersetzer, Franz Hessel und Paul Mayer, können natürlich genug Französisch, um zu sehen, was sie da gemacht haben. Sie haben wortwörtlich übersetzt. Ich halte das nicht für gut. Das kann nur einer, mit aller Grazie seines Stils: Franz Blei. (1930)

Franz Blei, dieser verlogene Hund (…) (1935)

Wobei das letzte Zitat für eine Literaten wohl das dickste Lob bedeuten dürfte.

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