Ein ganz evangelischer Jude

„Ein ganz gewöhnlicher Jude“ lautet der neue Film von Oliver Hirschbiegel, der am 19. Januar 2006 in den Kinos anläuft. Ben Becker stellt darin den Jude Emanuel Goldfarb dar, der schriftlich dazu eingeladen wird, vor einer Schulklasse über sein Leben als „jüdischer Mitbürger“ im heutigen Deutschland zu sprechen. Der Film zeigt nicht den Auftritt vor der Klasse, – den Goldfarb zunächst entrüstet ablehnt -, sondern seine monologisierende Auseinandersetzung mit dem Etikett des „normalen“ Juden in einem Land, das Jude-Sein alles andere als zu einer Normalität hat werden lassen.

Es kann natürlich kein Zufall sein, dass die Einladung an Goldfarb ausgerechnet von einem Kurt Tucholsky-Gymnasium ausgeht. Auch Tucholsky wollte als „ganz normaler“, assimilierter Jude in Deutschland leben, was so weit ging, dass er im Alter von 24 Jahren aus dem Judentum „austrat“ und sich während des Ersten Weltkrieges sogar evangelisch taufen ließ. Dennoch blieb er in den Augen seiner Gegner immer der „zersetzende Jude“, obwohl er selbst bekannte, dass ihn „die Frage des Judentums niemals sehr bewegt“ habe. Kein Zufall war es wohl dennoch, dass einer seiner letzten Briefe sich sehr eingehend mit dem Judentum befasste. Sein Brief an Arnold Zweig vom 15. Dezember 1935 war eine Bilanz seiner Erfahrungen als deutscher Jude und zugleich eine Abrechnung mit der jüdischen Gemeinde im Nazi-Deutschland.

Emanuel Goldfarb wird sich übrigens dazu durchringen, die Schüler des Tucholsky-Gymasiums zu besuchen.