In der „FAZ“ mokiert sich Jochen Stöckmann äußerst kunst- und kanzlerkritisch über eine Aktion, mit der Gerhard Schröder seit 1994 vor sämtlichen Wahlen unterstützt wird. Am vergangenen Sonntag war es in Hannover wieder einmal soweit. Künstler um Klaus Staeck und Siegfried Neuhausen präsentierten ihr Kunstwerk, in diesem Wahljahr ein „Potpourri von Stühlen“. Schröder überreichte dabei den Kunstpreis „Aus gegebenem Anlass“ an Jochen Gerz.
Der Tenor des FAZ-Textes „Stühlerücken“ lautet eindeutig: Wenn die falschen Künstler für den falschen Kanzler werben, kann nichts Anständiges dabei herauskommen, schon gar keine Kunst. In den Worten Stöckmanns: „Und die glückliche Ahnungslosigkeit der Kunst harmoniert aufs beste mit der kecken Unwissenheit der Politik.“ Und um Kurzatmigkeit des Schröderschen Politiktreibens aufzuzeigen, bemüht er zwei Sätze Tucholskys, in denen dieser über die Aufgeblasenheit des Berliner Geschäftsbetriebs urteilte:
Übermorgen haben sie alles vergessen: euer Projekt, den Künstler und die Skizzen. Und frohen Herzens stürzen sie sich auf das nächste Ding…
Ignaz Wrobel: „Berliner Geschäfte“, in: Berliner Tageblatt, 27.1.1920
Was Tucholskys Klage mit der Kunstaktion zu tun, weiß wohl nur Stöckmann. Schließlich wird in „Berliner Geschäfte“ lediglich geschildert, wie die Unternehmer für ihre hochfahrenden Projekte Künstler und andere potenziellen Mitarbeiter aufscheuchen, um anschließend das Projekt und die Künstler ebenso schnell wieder zu vergessen. Im Falle der Kunstaktion scheint es aber genau umgekehrt zu sein. Die Initiative ging von den Künstlern aus, und wie lange Schröder sich an die 25 Stühle des Potpourris erinnert, ist wirklich ihm selbst überlassen.
Eines muss man dem FAZ-Text aber zugute halten. Es wird darin anschaulich geschildert, wie so manche Zitate in die Welt gesetzt werden:
„Weitermachen gegen das Aufhören“, dieser Mahnung des Künstlers wolle er gerne folgen, verkündet siegesgewiß der Preisredner. Tatsächlich hat Gerz diesen Satz nie gesagt. Es ist die kurzschlüssige Schlagzeilenformulierung eines Kritikers, von einem Sprecher der Künstlerinitiative zitiert, von Schröder aufgeschnappt und flugs zur gängigen Parole umgewertet.